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Zerstörtes bewahren. Rayyane Tabet in der daad-Galerie.

© Jens Ziehe

Rayyane Tabet in der daad-Galerie: Spur der Steine

Hommage an Tell Halaf in der daad-Galerie: Die Frottagen des libanesischen Künstlers Rayyane Tabet erzählen von der bitteren Seite der Geschichte.

Drei Tage saß er im kalten Depot, wickelte Stücke gebrochenen Basalts in Papier und schraffierte mit Kohlestift je einen schrundigen Stein auf ein Blatt. Heißen Tee haben sie dem Künstler gebracht, der da wie ein Archäologe zwischen dem Rest-Kulturgut aus Tell Halaf hockte, so erinnern sich Mitarbeiter der Staatlichen Museen, die Rayyane Tabet bei seiner Sisyphos-Arbeit betreuten: Rund 2000 Bruchstücke aus der Grabungsstätte im Nordosten Syriens lagern in den Depots, 1000 davon soll Tabet mit Hilfe der Frottage-Technik vervielfältigt haben. 500 Blätter hängen jetzt in der daad-Galerie, mit Nägeln und Klammern auf hochkant gekippte Euro-Palletten gepinnt, jeweils fünf Reihen bis unter die Decke. Ergänzt werden die Blätter von 25 größeren, gerahmten Frottagen, die an der Wand gegenüber lehnen.

Rayyane Tabet, vergangenes Jahr Gast des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, widmet sich dem Fall Tell Halaf auch aus familiären Gründen. Der 1983 in Libanon geborene Künstler hatte einen Urgroßvater, der für Max von Oppenheim gearbeitet haben soll, den Leiter der Expedition, die 1911 die Paläste und Grabstätten im Siedlungsfeld barg. Das Familiäre ist hier hochpolitisch: Das Nationalmuseum in Aleppo, das einen Teil der Funde besitzt, steht heute unter Beschuss. Und was Max von Oppenheim nach Berlin brachte, zerstörten Bomben im Zweiten Weltkrieg. Die Reste dieser Reste, in jahrelanger Puzzlearbeit zusammengesetzt, waren 2011 im Pergamonmuseum zu sehen.

Löwe, Stier oder Dinosaurier?

Das alles müssen Besucher aber nicht wissen. Tabet nennt seine Ausstellung „Kopf hoch! Mut hoch! Und Humor hoch!“ In großen Buchstaben klebt die Parole auf den Schaufenstern. Und so versuchten die Gäste der Eröffnung auf den schwarzgrau schraffierten Blättern Dinge und Wesen zu erkennen: Ist das hier ein Löwe, das ein Stier - und das etwa ein Dinosaurier? Mit ihrer Nähe zu Psychotests, in denen Patienten auf abstrakten Gebilden etwas erkennen sollen, docken Tabets Zeichnungen lose an surreale Trends an. Dominant bleibt dennoch die bittere Seite der Geschichte, die die Steine aus Tell Halaf erzählen – ähnlich wie die bunten Miniatur-Rekonstruktionen zerstörter oder gestohlener irakischer Kulturschätze, die der US-amerikanische Künstler Michael Rakowitz 2016 in der Berliner Galerie Barbara Wien zeigte. Auch Rayyane Rabets Installation erzählt von Kriegen, Toten, Verwüstungen – und vom Ehrgeiz, den Menschen in den Siedlungsbau steckten, um dann doch tief im Sand zu verschwinden.

daad-Galerie, Oranienstr. 161, bis 11. 6., Di bis So 12 – 19 Uhr, Eintritt frei

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