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Kultur: Stille Tiefe

Zum Tod von Saxofonist Dewey Redman

Es kursierte zuletzt eine Geschichte über ihn. In einem New Yorker Club wird ein Jazz-Saxofonist nach dem Konzert von einem Zuschauer bedrängt, der ihn erregt um ein Autogramm bittet. Der alte Herr ist gerne bereit dazu. Er soll seinen Namen auf die CD kritzeln, die der Fan, wie er sagt, gerade erst gekauft habe. Der Alte nimmt die CD, glücklich, einen anderen Menschen glücklich zu machen, und erstarrt, als er sie mustert. Aufgenommen hat sie ein anderer, Joshua Redman.

Es gehört zum Schicksal des brillanten, aber meist unterschätzten Jazzmusikers Dewey Redman, dass er aus dem Schatten berühmterer Zeitgenossen und schließlich seines eigenen begabten Sohnes nicht herausfand. Wer ihn je spielen gesehen hat, erinnert sich an einen leicht gebeugten, unscheinbar-meditativen Saxofonisten, dessen Horn sich vor ihm wie die Verlängerung seines Rückgrats wölbte. Ihm entlockte er dunkle, rostige Töne, die ihn nicht als Phrasen-sprudelnden Verführer zeigten, vielmehr als in sich gekehrten Traditionalisten, der trotz seiner Nähe zum Free Jazz stets auf die Wurzeln des Blues zurückgeworfen wurde.

In Fort Worth, Texas, 1931 geboren, lernte Redman zunächst Klarinette und ließ sich zum Lehrer ausbilden. 1959 quittierte er den Schuldienst, zog nach Kalifornien und formte seine ersten eigenen Bands. Der Durchbruch gelang ihm aber erst in New York, wo er sich seinem alten Klassenkameraden, dem Jazz-Revolutionär Ornette Coleman anschloss. In den sechziger und siebziger Jahren nahm er Platten mit ihm sowie mit Keith Jarrett, Carla Bley und einem hochgelobten eigenen Quartett namens Old and New Dreams auf. Don Cherry, Charlie Haden und Ed Blackwell gehörten zu seinen Mitstreitern. Ornette Colemans Einfluss auf ihn verebbte nie.

Obwohl er zur Aufbruchsgeneration jener gehört, die sich der tonalen und rhythmischen Bindungen im Jazz entledigten, blieb Redmans Rolle meist die des unscheinbaren Sideman. Am Sonnabend ist er im Alter von 75 Jahren an einem Leberleiden gestorben.

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