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Das historische Bauhaus in Dessau (Sachsen-Anhalt).

© dpa

Symposien über Museumsarchitektur: Mal hoch, mal quer

Bauhaus historisch: Zwei Symposien in Berlin und Venedig untersuchen die gegenwärtige Museumsarchitektur und ihre Herausforderungen.

„Das Kunstmuseum des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts bleibt die Spielwiese des Architekten“, hat der kluge, konservative Vittorio Magnago Lampugnani unlängst geschrieben. Mag etwa die diesjährige Architektur-Biennale Venedig im Zeichen von Migration und Wohnungsbau stehen, so bleibt doch die Faszination von Kulturbauvorhaben ungebrochen.

Auch in Berlin: Noch in diesem Monat soll die Entscheidung im Wettbewerb um den Neubau des „Museums des 20. Jahrhunderts“ am Kulturforum fallen, gern zu M20 gekürzelt. Bereits vorangeschritten sind die Planungen für die Erweiterung des Bauhaus-Archivs. Das historische Bauhaus gibt Anlass zu gleich drei Neubauten: Weimar und Dessau werden zur 100-Jahr-Feier der epochalen Lehranstalt im Jahr 1919 mit Bauhaus-Museen aufwarten, in Berlin wird es nicht ganz so termingenau hinhauen. Gleichwohl sah das Bauhaus-Archiv Anlass genug, ein Symposium über Museumsbauten abzuhalten – von Jürgen Tietz elegant moderiert –, bei dem die drei Bauhaus-Museen inmitten sechs weiterer Vorhaben in Deutschland sowie im grenznahen Basel vorgestellt wurden.

Volker Staab heißt der Sieger des hiesigen Bauhaus-Wettbewerbs. Der in Berlin heimisch gewordene Heidelberger darf als Serienbaumeister von Museen gelten. Er sieht eine ebenerdige, wegen der leicht hügeligen Topografie am Ufer des Landwehrkanals wie eingegraben wirkenden Ausstellungsebene vor, wegen der meist empfindlichen Sammlungsobjekte ohne Tageslicht. Der gläserne Turm, den er fünfgeschossig darüber erhebt, dient nicht der Sammlung, sondern Funktionen drumherum.

Das Gebäude gehört den Menschen

In Dessau sieht sich Wettbewerbssieger José Zabala (Barcelona) mit der desolaten Situation der einstigen Industriestadt konfrontiert. Die Lokalpolitiker haben einen Park im Zentrum als Standort bestimmt, weitab vom historischen Bauhaus. Von dem Neubau, das Zabala als Riegel auf Stelzen parallel zur benachbarten Straße plant, wird also Stadtreparatur erhofft. Ähnlich in Weimar, wo die Politik ein denkbar falsches Grundstück neben dem NS-Gauforum bestimmte, fern der historischen Altstadt. Heike Hanada (Berlin) stellt eine Kiste hochkant auf die Fläche, der sie mit einem langgestreckten Wasserbecken ein feierliches Entree verschafft. Die innere Organisation des Bauwerks ist bestechend, die äußere Erscheinung hermetisch. Das soll Bauhaus sein – dessen Dessauer Domizil ein Signal war, ganz auf Wirkung in die Gesellschaft gerichtet?

Die Frage nach dem Verhältnis der drei Museumsentwürfe zum historischen Bauhaus trieb die ansonsten stets konziliante Archiv-Chefin, Annemarie Jaeggi, schier auf die Palme. Beständig werde erwartet, dass Bauhaus-Museen wie das historische Bauhaus aussehen. Staab sprang ihr bei: Es könne „nicht darum gehen, architektonisch irgendeine Referenz zu den Inhalten aufzubauen“. Hanada beschwichtigte: „Wir versuchen, eine möglichst zurückhaltende Hülle zu geben, in der das einzelne Objekt strahlen kann“; und Zabala wich verschüchtert ins Allgemeine aus: „Das Gebäude gehört den Menschen, das ist wichtig.“

Üppige Treppen, Ornamente und Dekoration

Bei den übrigen sechs vorgestellten Museen drängte sich die Frage nach der Spezifik der Architektur gegenüber der darin bewahrten Sammlung nicht auf. Die unlängst eröffnete Erweiterung, die Christ und Gantenbein dem Kunstmuseum Basel auf einer schwierigen Parzelle hingestellt haben, fand in der Fachwelt einhelliges Lob; insgeheim wohl auch, weil die jungen Basler keine Angst vor üppigen Treppen und edler Verarbeitung zeigten.

Makellos edel geht es auch beim metallisch glänzenden Neubau für die Kunsthalle Mannheim zu, das Nikolaus Goetze als Partner des Hamburger Großbüros gmp vorstellte als „Stadt in der Stadt“. Graber Pulver Architekten aus Zürich zeichnen für die im wesentlichen unterirdische Anlage des Ethnografischen Museums Genf verantwortlich, Arno Lederer jongliert mit dem Neubau des Historischen Museums Frankfurt am Main – der abgerissene Vorgänger war kaum 30 Jahre alt! – zwischen der historischen Substanz und dem historisierenden Faksimile nahe dem Römer. Jörg Springer (Berlin) ging anhand seines Museumsanbaus im märkischen Neuruppin ins Philosophische. Und Louisa Hutton berichtete vom Bau des Museums des 20. Jahrhunderts „M9“, das sie gemeinsam mit Partner Matthias Sauerbruch in Mestre errichtet, dem hässlichen Entlein vor Venedig.

Ja, Venedig. Zum Symposium, das kürzlich im Arsenal – einem der beiden Hauptschauplätze der Biennale – zum Thema „Museen und kulturelle Orte als Motor von städtischem und sozialem Fortschritt“ stattfand, hatte der Moskauer Chefarchitekt seit 2012, Sergej Kusnetzow, namens der Stadtregierung eingeladen. Moskau hat sich mittlerweile des riesigen Geländes der „Ausstellung der Errungenschaften der Volkswirtschaft“ angenommen, nach der russischen Bezeichnung abgekürzt als „WDNCh“. Unter Stalin 1939 begründet, stellt es mit seinen zahlreichen Pavillons auf 316 Hektar Fläche ein riesiges Freiluftmuseum der Sowjetunion dar. „WDNCh“ ist prägnant auch der von Kusnetzow zusammengestellte Biennale- Beitrag im russischen Pavillon überschrieben, der dieses Ensemble nationaler Selbstvergewisserung von seiner Schokoladenseite zeigt: als eine einzige Feier von Ornament und Dekoration.

Die Mutation zu bloßen Eventstätten

Der Moskauer Alltag ist deutlich prosaischer; doch Museen sind auch dort ein Thema. Anton Below hat als Direktor der privaten, von einem Oligarchen finanzierten Kunsthalle „Garage“ gut lachen, er residiert mittlerweile in einem Neubau von Rem Koolhaas gleich vorne im Gorki- Park, der Haupt-Erholungsstätte der stressgeplagten Moskowiter.

Selfira Tregulowa, die agile Direktorin der Staatlichen Tretjakow-Galerie, nimmt sich des Zentralen Künstlerhauses an. In diesem vernachlässigten Riesenbau der Breschnew-Ära bespielt die Tretjakow-Galerie einen Teilbereich mit Beständen des 20. Jahrhunderts – bei lediglich „200 Tagesbesuchern auf 20 000 Quadratmetern“. Die Konkurrenz in Moskau wächst; so plant die Petersburger Eremitage, wie Dmitrij Oserkow verriet, ihr Kurator für Zeitgenössische Kunst, eine Dependance in der Hauptstadt „mit Kunst, die nie in Moskau zu sehen war“.

Die Podiumsgespräche des Symposiums entwichen allzu sehr ins Allgemeine. Mal um Mal beschworen wurde das Museum als Ort gesellschaftlichen Miteinanders. Dasselbe reklamieren längst auch Bibliotheken für sich. Kann Relevanz nur noch beanspruchen, wer Hochzeiten und Geburtstagfeiern ausrichtet? Darüber hätte tiefer nachgedacht werden müssen. Sonst mutieren Museen und Bibliotheken am Ende zu beliebigen Eventstätten.

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