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Mein KUNSTSTÜCK: Tagebuch lesen

Christina Tilmann versucht, hinter Schleier zu blicken

Es sind Familiengeschichten, die zärtlich vom Schrecken erzählen. Die Berliner Jüdin Charlotte Salomon, die in einem riesigen Zeichnungszyklus das Leben ihrer Familie dokumentierte, bevor sie 1943 nach Auschwitz deportiert wurde, erfuhr erst als Erwachsene vom Selbstmord der Mutter – und zog aus diesem Wissen ihren Lebensmut. Chantal Akerman, deren Installation Neben seinen Schnürsenkeln in einem leeren Kühlschrank laufen das Jüdische Museum der Salomon-Ausstellung an die Seite stellt, geht einen anderen Weg: Sie konfrontiert ihre Mutter mit dem Tagebuch der ermordeten Großmutter. Eine Spirale aus Tüllvorhängen führt in den Raum, Wörter huschen über den weißen Stoff, dann landet man vor einem Homevideo, auf dem Mutter und Tochter im Tagebuch lesen. Ein zärtliches Erinnerungswerk – und ein Dialog über drei Generationen: Akermans Mutter hatte Texte in das Tagebuch geschrieben, als Liebesbotschaft an die Mutter, und auch Akerman fügte später Texte hinzu. Nun entziffern sie sie beide, staunen über die zarte Schrift, „aber sie verblasst“, bedauert Akerman. Doch dafür gibt es ja Kunst.

Jüdisches Museum,

bis So 25. 11., 10-20 Uhr,

Mo bis 22 Uhr, 5 €, erm. 2,50 €

Christina Tilmann

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