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Die deutschen Sommerresidenz Tarabya bei Istanbul, direkt am Bosporus.

© Carsten Hoffmann /picture alliance / dpa

Tarabya-Akademie in Berlin: Freiräume bewahren in Deutschland und der Türkei

„Studio Bosporus“: Die Kulturakademie Tarabya präsentiert sich erstmals in Berlin und betont die Bedeutung der kulturellen Zusammenarbeit.

Im Hamburger Bahnhof feiert das Goethe-Institut traditionell sein Sommerfest; immer gut besucht, für das Netzwerk von Kultur und Politik ist es einer der wichtigen Termine des Jahres. Ähnlicher Andrang herrscht bei der ersten Präsentation der Tarabya-Akademie in Berlin. 2011 gegründet, hat die weiße Villa am Bosporus seither an 35 Künstlerinnen und 39 Künstler Stipendien über vier bis acht Monate vergeben. Ohne Quote, ein gutes Ergebnis.

„I am in love with Istanbul“, schwärmt der Jazz-Sänger Michael Schiefels, der dort zu Gast war. Der Dichter Max Czollek hängt in seiner poetischen Prosa „Alternative Fakten über den Bosporus“ der Geschichte des Ortes nach, die eng mit dem Ersten Weltkrieg verbunden ist. In Tarabya gibt es einen deutschen Soldatenfriedhof. Auf dem Nachbargrundstück steht die Bosporus-Villa des türkischen Staatspräsidenten. Klaus-Dieter Lehmann, der Präsident des Goethe-Instituts, das die Akademie künstlerisch betreut, beschreibt die Lage so: „Künstlerresidenzen wie Tarabya sind keine einsamen Inseln der Glückseligen, sondern Freistätten der Inspiration, der Begegnung und der künstlerischen Arbeit. Es sind ehrgeizige Orte, die Zukunft schaffen.“

Davor steht die Gegenwart. „Trotz eng werdender Freiräume werden wir bei unserem Engagement für unsere Partnerschaften bleiben“, verspricht Lehmann, und das soll weltweit gelten. In der Türkei wurden am letzten Wochenende wieder Künstler und Intellektuelle verhaftet. Asena Günal, Geschäftsführerin der gemeinnützigen Kulturinstitution Anadolu Kültür, durfte nicht nach Berlin kommen. Ihr Stuhl bei der Tarabya-Vorstellung bleibt  leer. In einer Videobotschaft spricht sie von der „zunehmenden Bedeutung, die kulturelle Zusammenarbeit zwischen zwei Ländern in solchen schwierigen Zeiten gewinnt. Dadurch fühlen wir uns nicht alleine und isoliert.“ Für das Goethe-Institut und seine internationalen Partner gehören Repressionen zum Alltag. Auch die Auswahl-Jury für Tarabya muss sich mit der Frage der Gefährdung beschäftigen. Kulturvermittlung ist ein Politikum, und viele Arbeiten, die in der historischen Sommerresidenz der deutschen Botschaft entstanden sind, zeigen es deutlich - wie Tugsal Moguls Theaterprojekt „Auch Deutsche unter den Opfern“ über den NSU-Prozess.

Das Verbindende stärken

„Es gibt kaum ein anderes Land, zu dem Deutschland engere menschliche Beziehungen hat als zur Türkei“, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas im Hamburger Bahnhof: „Wir beobachten in letzter Zeit aber auch, dass politische Konflikte, die in der Türkei ausgetragen werden, auch hier spaltend wirken, teils auch bewusst geschürt werden. Das wollen wir nicht zulassen. Wir setzen deshalb alles daran, das Verbindende zu stärken.“  Und er schließt mit den beunruhigenden Worten: „Kunst muss frei sein. Künstler müssen frei sein. Lassen Sie uns diese Freiräume bewahren - nicht nur Tarabya, sondern überall in Deutschland und der Türkei“.

Es klingt beunruhigend, weil es die Entwicklung der letzten Jahre umreißt. Die ersten Stipendiaten in Tarabya ahnten nicht, wie rasant die Türkei sich verändern würde, wie brüchig Demokratie und Zivilgesellschaft sind. Ende Mai 2013 begannen dann schon die blutigen Auseinandersetzungen um den Gezi-Park. Das ist jetzt in der Kunst aus dem „Studio Bosporus“ zu spüren, die in Berlin zu sehen war.  In Philipp Lachenmanns Video „Turkish Night“ vom Taksim-Platz oder der Performance „Schattenpapier“ von Nora Krahl und Sena Basöz: das gespenstische Flirren der Zeit, die angespannte Unruhe, das Auftauchen alter Traumata. 

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