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Macher. Teddy Kollek 1965 im Wahlkampf um das Bürgermeisteramt.

©  David Rubinger

Ausstellung in Wien: Teddy Kollek: Sein Büro war die Straße

Teddy Kollek war 28 Jahre lang Bürgermeister von Jerusalem. Eine Ausstellung im Jüdischen Museum Wien erinnert an ihn - und an eine Zeit, in der vieles möglich schien.

Was für ein Foto. Zwei Männer im Profil, der eine um die 50, der andere deutlich älter, am Rand einer Brüstung. Über ihnen wölbt sich ein blank geputzter, unwirklich weiß-blauer Himmel, wie ihn nur die nahe Wüste hervorbringen kann. Obwohl es sehr heiß sein muss, trägt der Jüngere korrekt Anzug mit Krawatte. Der Ältere hat den Kragen leger aufgeknöpft, seine Brille baumelt lose über dem ansehnlichen Bauch, er deutet in die Ferne, über Hügel, Häuser und Bäume. Es ist Teddy Kollek, der seinem Besucher, dem österreichischer Bundeskanzler Franz Vranitzky, seine Stadt zeigt: Jerusalem. Das Bild datiert aus dem Jahr 1993.

Vieles kommt zusammen auf diesem Bild, das in der kleinen, feinen Ausstellung „Teddy Kollek – der Wiener Bürgermeister von Jerusalem“ im Jüdischen Museum Wien als prominenter Blickfang dient. Kollek hat zum Zeitpunkt der Aufnahme schon 28 Jahre die Stadtverwaltung geleitet, es ist sein letztes Jahr im Amt, aber das weiß er in diesem Augenblick noch nicht. Bürgermeister von Jerusalem: eigentlich ein unmöglicher Job, aber es ist die Rolle seines Lebens, die ihn in der ganzen Welt bekannt gemacht hat.

1993 schien vieles möglich. Jitzchak Rabin lebte noch und mit ihm lebten die Oslo-Verträge, die Hoffnung auf eine Lösung des Palästina-Konflikts. In Österreich hatte Franz Vranitzky zwei Jahre zuvor als erster Bundeskanzler Schluss gemacht mit der Lebenslüge, das Land sei „Hitlers erstes Opfer“ gewesen: „Es gibt eine Mitverantwortung für das Leid, das Bürger dieses Landes über andere Menschen und Völker gebracht haben“, sagt er vor dem Parlament. Man muss schlucken, liest man das heute. Die Zeiten haben sich geändert, die Uhren sind rückwärts gestellt. Unvorstellbar, dass Sebastian Kurz, der aktuelle, mit der rechtspopulistischen FPÖ koalierende Kanzler, auch nur annähernd Ähnliches äußern würde. Österreich ist 2018 ein Land, auf das man wieder stolz zu sein hat.

1993 eröffnete er das Wiener Jüdische Museum

Schwer vorstellbar auch, dass im heutigen politischen Klima in Wien das möglich wäre, was ebenfalls 1993 geschah. In der Dorotheergasse eröffnete das Jüdische Museum, nur wenige Schritte vom Café Bräunerhof entfernt, in dem Thomas Bernhard in den achtziger Jahren über ebenjenes postfaschistische Österreich gegrantelt hatte. Treibende Kraft hinter dem Museumsprojekt war der damalige Wiener Bürgermeister Helmut Zilk, ein enger Freund von Kollek – der Gast aus Jerusalem übernimmt dann auch die offizielle Eröffnung. Mit der Ausstellung feiert sich das Jüdische Museum auch ein bisschen selbst.

Teddy Kollek war Wiener, auch wenn er 1911 nicht dort geboren wurde, sondern im ungarischen Nagvázsony. Ein Kaff, dass so unbedeutend nicht gewesen sein kann – immerhin präsentiert die Ausstellung Postkarten des Ortes. Seine Eltern, überzeugte Zionisten, benennen ihn nach Theodor Herzl. Kurz nach der Geburt ziehen sie mit ihm in die k.u.k. Hauptstadt, wo der sportliche und gut aussehende Teddy seine Jugendjahre verbringt. Die Familie wohnt in der Landstraßer Hauptstraße. Dort, in der zionistischen Jugendbewegung „Blau-Weiss“, lernt er auch seine spätere Ehefrau Tamar Schwarz kennen, die einer alten österreichischen Rabbinerfamilie entstammt. Religiöse Kultgegenstände aus dem Besitz der Familie erzählen diese Geschichte in der Ausstellung. Zeitzeugen berichten vor der Kamera, wie sie Teddy Kollek erlebt haben: seine Tochter Osnat, Irit Salmon vom Israel Museum oder der Oberrabbiner Österreichs, Paul Chaim Eisenberg.

Jerusalem war in seiner Ära eine weltoffene Stadt

Das eigentliche Leben des Teddy Kollek beginnt, als er und Tamar 1934 nach Palästina auswandern, wo sie den Kibbuz Ein Gev am See Genezareth mitgründen. Fotos zeigen den kräftigen Mann beim Sport, beim Angeln, im Kreis von Freunden. Kollek wird Mitarbeiter von David Ben Gurion, bewirbt sich 1965 erstmals erfolgreich als Bürgermeister von Jerusalem – und leitet nach dem Sechstagekrieg 1967 eine Stadt, die plötzlich doppelt so groß ist. Er gründet das Israel Museum und macht aus Jerusalem eine moderne Kommune. Oskar Kokoschka kommt zu Besuch, in der Ausstellung sind die Porträts zu sehen, die er von Teddy Kollek und Golda Meir angefertigt hat. Ein anderes Foto fängt einen seltenen Moment ein, Kollek telefonierend am Schreibtisch. Er arbeitet nicht gerne im Büro, ist lieber auf der Straße, um mit Bürgern zu reden, Probleme zu erkennen, deren Behebung zu veranlassen. Das „rote Wien“ der zwanziger Jahre ist sein sozialpolitisches Vorbild. Kolleks Jerusalem über die Jahrzehnte – eine tolerante, weltoffene Ära.

Auch das ist vorbei. Heute dominieren in der Stadt die jüdische und die islamische Orthodoxie. Junge Säkulare halten es nicht lange aus, ziehen nach Tel Aviv oder Europa. Kollek aber, das betonen Berichte immer wieder, war als Bürgermeister von allen religiösen Gruppen geschätzt. Die Ausstellung glättet das Bild des Mannes allerdings auch, blendet mögliche kritische Meinungen aus. Wenn es stimmt, dass auch die Palästinenser Teddy Kollek – der 2007 starb – als „ihren“ Bürgermeister ansahen, hätte man diese palästinensische Stimme gerne gehört.

Im letzten Teil widmet sich die Ausstellung der Eröffnung des Jüdischen Museums durch Teddy Kollek, komplett mit Anbringung der Mesusa, der Schriftkapsel am Türpfosten,  wie es im Judentum üblich ist. So viel Hoffnung vor 25 Jahren auch bestand: Die Kräfte, die heute die FPÖ an die Regierung gebracht haben, hat es auch damals gegeben. Helmut Zilk, der Wiener Bürgermeister, wurde im Dezember 1993 Opfer eines Briefbombenattentats und musste von da an mit zwei Fingern weniger leben.

bis 25. November, Jüdisches Museum Wien, Dorotheergasse 11, So–Do 10–18 Uhr, Fr 10–17 Uhr, Sa geschlossen.

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