zum Hauptinhalt
Jörg Thadeusz (rechts) und seine beobachtende Viererbande.

© Screenshot:Tsp

„Thadeusz und die Beobachter“ und „Blue Moon“ im RBB: Was ist besser: nur hören oder hören plus sehen?

Der RBB muss sparen und veranstaltet deswegen Hörfunk im TV. Klingt verwegen, funktioniert aber.

Ein Kommentar von Joachim Huber

Irgendwann kommt man vor die Frage: Höre ich mir das lieber an oder sehe ich mir das lieber an? Eine erste pragmatische Antwort hängt von der Situation ab: „Blue Moon“ bei Radio Fritz und „Thadeusz und die Beobachter“ als Fernsehsendungen verlangen eine Fernsehhaltung: Er/Sie/Es sitzen vor dem Gerät und schauen auf den Bildschirm.

Im besten Falle so lange, wie die Sendungen dauern: 120 Minuten. Wer „Thadeusz und die Beobachter“ vor der TV-Ausstrahlung um 22 Uhr bereits ab 19 Uhr bei Radio Kultur einschaltet oder sich bei „Blue Moon“ für die Radio-Ausspielung statt der parallelen TV-Ausstrahlung entscheidet, hat ja ganz andere Möglichkeiten: Er kann die Wäsche zusammenlegen, sich ein Butterbrot schmieren oder ein Bild gerade hängen. Radio bietet neben Radio unendliche Möglichkeiten der Freizeitgestaltung.

Umweg übers Radios ins Fernsehen

Wenn das stimmt, warum dann „Blue Moon“ oder „Thadeusz“ im Fernsehen? Beim politischen Talk ist die Antwort einfacher: „Thadeusz und die Beobachter“ kommen aus dem Fernsehen und wählen jetzt den Umweg übers Radio ins Fernsehen, weil der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) sparen muss. Als Hörfunkproduktion ist die Runde schlichtweg kostengünstiger, denn die neue Lösung zeigt Hörfunk im Fernsehen und nicht Fernsehen im Fernsehen: Schlichter Raum, einfacher Tisch, niedrigere Honorare. Die Kamera dokumentiert, sie gestaltet nicht. Weniger Fernsehen im Fernsehen war selten.

Halt, bei „Blue Moon“ gibt es gar kein Setting, Moderator oder Moderatorin sitzen hinter einer Batterie von Monitoren und Equipment, die Kamera bewegt sich in diesem Einraum-Fernsehen noch weniger als bei „Thadeusz und die Beobachter“.

Erkenntnisse nach wenigen Wochen: Gesprächssendungen funktionieren erstklassig im Radio. Okay, bei zwei Stunden Dauer gibt es Durchhänger, Ausstiegspunkte – wobei „Blue Moon“ das größere Risiko geht. Die Sendung ist ein Call-in-Format, und mancher Anrufer/manche Anruferin hätte wahrlich besser daran getan, nicht anzurufen. Was zuweilen im Live-Modus zuweilen zu hören ist, ist zuweilen von erhabener Schlichtheit.

Mehr Fernsehen wird’s nicht bei „Blue Moon“.
Mehr Fernsehen wird’s nicht bei „Blue Moon“.

© Screenshot: Tsp

Zweitrangig, für die Zuhörerin, für den Zuhörer liegt in diesem Überraschungs-Hörfunk ein besonderer emotionaler Moment: Geht er mit, lehnt er ab, stimmt er zu? Die Reaktionen sind bestimmt direkter, freudiger, schroffer als bei „Thadeusz und die Beobachter“. „Blue Moon“ ist so bunt wie das Leben.

Bei Jörg Thadeusz sitzt eine bewährte, eingeübte, professionelle Runde, die eben nicht von der Gnade der Anrufer abhängt. Der Moderator orchestriert ein Gespann von sprech- und denkfähigen Journalistinnen und Journalisten.

„Thadeusz“ hat gewollt eine andere Flughöhe, hier wird Minimum Weltpolitik besprochen, während „Blue Moon“ sich im Alltag seiner Anruferinnen und Anrufer – Cannabis, Vergangenes, Community -  bewegt. Die Sendungen gegeneinander zu gewichten, schafft auf beiden Seiten Ungerechtigkeiten – also lassen wir es.

Eine andere Frage ist, ob der finanziell klamme RBB gut beraten ist, Hybridformate aus Hörfunk und Fernsehen zu erschaffen.

Antwort: Ja, ist er. Noch sind die Marktanteile und Quoten sehr bescheiden: „Blue Moon“ ist am 16.1. mit 0,8 Prozent (10.000 Zuschauerinnen und Zuschauer) gestartet und konnte sich bis zum 6.2. steigern auf 1,3 Prozent (16.000 Zuschauerinnen und Zuschauer). Die erste Ausgabe von „Thadeusz und die Beobachter“ am 23.1. erreichte einen Marktanteil von 2,4 Prozent (33.000). Doch gelingt es dem Sender, am Dienstag nach 22 Uhr interessante Angebote zu machen. Eben kein Repertoire, keine Konserven, sondern Gespräche, die fesseln können. Zeigen, dass der Rundfunk Berlin-Brandenburg auch nach 22 Uhr lebt. Zeigen, dass nach der Fernsehroutine das Fernsehexperiment kommen darf.

Meine Entscheidung: Ich werde „Thadeusz und die Beobachter“ weiter im Fernsehen verfolgen, weil die Reaktionen der verschiedenen Gesprächspartnerinnen und -partner auf diese und jene Aussage immer spannend sind, die sichtbare Interaktion der Teilnehmenden macht den Mehrwert der TV-Ausstrahlung aus. Allerdings sollte die Mikrofonsituation dringend verbessert werden, die Gesichter der Gesprächspartner, die frontal zur Kamera sitzen, erinnern an Breitmaulfrösche.

„Blue Moon“ war, ist und bleibt Radio. Es gibt sehr viel weniger zu sehen als zu hören.

„Thadeusz und die Beobachter“, 13. Februar, RBB Kultur, 19 Uhr, RBB Fernsehen, 22 Uhr

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false