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Internetpionier Jaron Lanier ist eine der warnenden Stimmen in „The Social Dilemma“.

© imago / Christoph Hardt

„The Social Dilemma“ auf Netflix: Warum diese Doku Teil des Problems ist

Jeff Orlowski hat einen packenden Film über die Verführungskraft sozialer Netzwerke gemacht. Und verführt dabei selbst zu vorschnellen Urteilen.

Von Jonas Bickelmann

Es gab mal eine Zeit, da redeten die Menschen miteinander, da waren Medien dazu da, ganz unabhängig von irgendwelchen Interessen oder Ideologien objektive Fakten zu verbreiten und junge Menschen wuchsen auf, ohne den Druck überzogener Schönheitsideale ertragen zu müssen. Es war die Zeit vor dem Internet.

Wer sich noch an diese Zeit erinnert, weiß, dass es nie so harmonisch zuging. Dieses nostalgische Ideal der Vor-Facebook-Zeiten aber bestimmt die ganze Erzählung der Netflix-Dokumentation „The Social Dilemma“. Es geht darin um soziale Netzwerke, die uns manipulieren. Weil sie dafür geschaffen wurden.

Lohnt sich das Anklicken? Die Doku ist eindeutig engaging. So nennt man es, wenn man kaum Wegschauen kann. Das Erstaunliche dabei ist, dass „The Social Dilemma“ damit ein Beispiel für genau das ist, was die Doku kritisiert.

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Der gut 90-minütige Film spitzt extrem zu, setzt auf große Gefühle, bedrohliche Musik, auch der komische Moment hin und wieder ist perfekt gesetzt. Der Film von Regisseur Jeff Orlowski entwickelt so einen enormen Sog. Und genau das wünschen sich soziale Medien wie Facebook, TikTok – oder eben Netflix.

Profit aus Hass

Die Kritikpunkte bringen Menschen vor, die selbst hochrangige Positionen bei Unternehmen wie Google, Facebook oder Instagram hatten: Kommunikation über diese Plattformen ist nur Mittel zum Zweck der Werbung. Die Netzwerke wissen extrem viel über uns. Sie profitieren davon, wenn Menschen extrem auf Inhalte reagieren: mit Angst, mit Wut, mit Hass. Das ist gar nicht gut für die Debattenkultur.

All das stimmt. Und es ist nicht neu. Aber es wurde noch nie so eindringlich vermittelt wie es Orlowski tut.

Aber das funktioniert auch nur, weil die Doku ihre Fakten zu einer so mitreißenden Geschichte verdichtet. Die Menschen, die in der Doku zu Wort kommen, tragen ihre Kritik in Worten vor, die sich keine politische Kampagne mitreißender hätte ausdenken können. „Checkst du dein Smartphone, bevor du morgens pinkelst, oder während du pinkelst. Das sind die einzigen zwei Möglichkeiten.“

Inszenierte Dystopie

Sogar zu eigens inszenierten Szenen mit Schauspielern greift Orlowski, um seine Dystopie zu illustrieren. Das ist Fiktion, keine Dokumentation. Und natürlich hat es Einfluss auf unsere Sichtweisen.

Wer Angst davor hat, sich beeinflussen zu lassen, sollte ganz aufhören, sich so eindringliche Inhalte wie „The Social Dilemma“ anzusehen. Aber Vorsicht: Wenn Sie dem Rat folgen, lag es vielleicht auch am Einfluss dieses Artikels.

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