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Zwischen Berlin und Bayreuth. Castorf hängt noch ein paar Jahre dran. Foto: dpa

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Theater: Entspannt zum Endspurt

Frank Castorf bleibt Intendant der Volksbühne – sein Vertrag wird verlängert bis 2016.

An ein Ende mit Schrecken hat niemand noch ernsthaft geglaubt. Ein Ende der Ära Castorf im Jahre 2013 wurde immer unwahrscheinlicher, je mehr Zeit verstrich. Nun ist es amtlich: Der Vertrag des Intendanten der Berliner Volksbühne wird um weitere drei Jahre bis zum Ende der Spielzeit 2015/16 verlängert. Dann wird Frank Castorf 65. Dann will er sich aus dem Theater zurückziehen, das er seit über zwanzig Jahren leitet.

Das ist die schlechte Nachricht. Und zugleich die gute.

Castorf habe mit der Volksbühne Theatergeschichte geschrieben, erklärte der Regierende Bürgermeister und Kultursenator Klaus Wowereit am Montag. Und er fügte hinzu: „Frank Castorf hat oft genug bewiesen, dass er in der Lage ist, sich und seine Kunst neu zu erfinden“. Viel Vergangenheitsform steckt in dieser Begründung, und so ist es ja auch. Castorf prägt die Berliner, die nationale, die europäische Theaterszene bis heute. Man mag das Epigonentum verfluchen. Aber Castorf ist eine Chiffre, ein Begriff für so viele andere fantastische Künstler, die er einst am Rosa-Luxemburg-Platz versammelte.

Was waren da für Regisseure und Dramaturgen engagiert! Aber Christoph Schlingensief ist tot, Christoph Marthaler wirkt ausgelaugt, Matthias Lilienthal hat in der Zwischenzeit das Hebbel am Ufer zu auch schon wieder legendärem Erfolg geführt und hört dort jetzt auf. Was tummelten sich dort für Schauspieler! Henry Hübchen, Martin Wuttke, Herbert Fritsch – er ist nun immerhin als Regisseur an die Volksbühne zurückgekehrt.

Von Castorf und der Volksbühne lernen, heißt siegen lernen. Siegen über die Trägheit, über die Theatergesetze, die an der Volksbühne außer Kraft gesetzt wurden. Oder neu erfunden. Von Castorf reden heißt immer auch, in einen unvermeidlichen Nachrufton zu verfallen.

So ist die Nachricht von seiner Vertragsverlängerung ein Befreiungsschlag. Nun sind die Fronten geklärt. Es kann zum langen Endspurt angesetzt werden. Und es ist reichlich Zeit, sich über die Nachfolge Gedanken zu machen. Momentan fällt einem kein Kandidat und keine Kandidatin ein, der oder die Castorf ad hoc ersetzen könnte. Das war, neben ihrer großen Loyalität und Verbundenheit zu Castorf, das schlagende Argument von Wowereit und Kulturstaatssekretär André Schmitz. Woher einen neuen Castorf nehmen, zur Not auch stehlen?

Und dann haben sie es geschickt gemacht. Castorf inszeniert 2013 den „Ring des Nibelungen“ in Bayreuth, dafür verzichtet er dann auf 70 Prozent seines Intendantengehalts in Berlin. Eine vernünftige Regelung, mit Modellcharakter für Doppel- und Dreifachverdiener auf Intendantenstühlen. Und dann haben auch die Kritiker geholfen. Drei der zehn für das Berliner Theatertreffen 2012 ausgewählten Inszenierungen kommen von der Volksbühne, darunter wieder kein Castorf, aber schon wieder ein Fritsch.

Man wolle ihn aus der Volksbühne wegschreiben, hat Castorf gelegentlich die Theaterkritiker beschimpft. Nun küren die Mitglieder der Theatertreffen-Jury seine Volksbühne zum Theater der Stunde und honorieren, dass im Hause Castorf immer noch ein gutes Klima für riskante Unternehmungen herrscht. Oder auch die blanke Anarchie. Egal: Alle wissen, woran sie sind. Es kann noch einmal aufwärtsgehen. Also noch einmal drei weitere Spielzeiten. Wie hieß es damals, vor zwei Jahrzehnten, als alles begann: In drei Jahren sei die Volksbühne berühmt oder tot! Auf ein Neues ...

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