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Theaterkritik, Theaterpolitik: Goethe grüßt Gorki

Theatertreffen: Nicolas Stemanns „Faust“-Demonstration - und die Frage, wer nun der Nachfolger von Armin Petras am Gorki Theater wird.

Goethes „Walpurgisnacht“ gehört zu den im Grunde unspielbaren Dichtungen. Zu viel Action, zu viel Personal, zu viele Drogen, beim Schreiben schon. Das bringt Regisseure auf die seltsamsten Ideen. Nicolas Stemann, der mit seinem Salzburg-Hamburger „Faust“ beim Theatertreffen gastierte, lässt sie einfach ausfallen, die erste Walpurgisnacht. Sebastian Rudolph und Philipp Hochmayr, als Faust und Teufel, fliegen auf einem Video durch die Lüfte davon, zwei nette Burschen, mit denen man Pferde stehlen und eine Zeit lang auch Studierstube, Osterspaziergang und Pudelkacke ertragen kann.

Gut acht Stunden dauert bei Stemann der Tragödie erster und zweiter Teil zusammen. Das ist nicht viel. Bei Peter Stein war es drei Mal so lang – ungestrichen! Zu Beginn des zweiten Teils malt Stemann die Szenerie in der Kaiserpfalz breit aus, mit Puppen und Musikern und noch mehr Projektion. Jetzt kommt Spielleiter Stemann auch selbst auf die Bühne, das macht er gern, wenn das Getümmel größer wird. Er mag diese Party-Demo-Stimmung, das Zumüllen einer Inszenierung, das Verdichten von Mensch und Text und Material. Bei Goethe heißt das „Mummenschanz“, und was liest man da mit schon leicht müden Augen: „Rettet den Flughafen – die Busch-Schule – das Gorki-Theater“, so steht’s auf Pappschildern. Faust liegt am Boden, Mephisto blubbert Sätze über das „postdramatische Theater“, und wie traurig schauen die Puppen drein, die das Geschehen – oder besser: das, was nicht geschieht – kommentieren. Aber halt: Wieso Gorki? Wieso „retten“? War Nicolas Stemann zuletzt nicht heißer Kandidat auf den Intendantenposten, den Armin Petras nicht mehr haben will, weil das Gorki Theater zu wenig finanziellen Spielraum bietet? Warum sollte ausgerechnet Stemann für das kleinste Berliner Staatstheater der Richtige sein? Ein Regisseur, der die großen, aufwändigen Sachen angeht, die Jelinek-Textgebirge, den „Faust“ – wie möchte der sich ins Gorki schrumpfen?

Für Ende April spätestens hatte die Kulturverwaltung die Entscheidung über die Petras-Nachfolge angekündigt. Nun sind, ein hartnäckiges Gerücht, die schon sehr weit gediehenen Verhandlungen mit Stemann gescheitert. Ein anderes, allerdings stark nach Theaterkantine müffelndes Gerücht will wissen, dass der Senat das Gorki-Theater ganz aufgeben oder umwidmen könnte ... So sitzt man im Festspielhaus, sieht das Gorki-Plakat und kommt ins Grübeln. Die Aufführung ist gerade auch nicht sehr packend. Was weiß Stemann? Ist es bloß Koketterie? Oder folgt bald der Tragödie dritter Teil? Aus der Kulturverwaltung kommt es am Montag klar und trocken: Noch etwas Geduld bitte, die Sache sei auf gutem Weg ... Ja, Goethe ist schwer. Gorki aber noch viel mehr. Fortsezung demnächst in diesem Theater. Rüdiger Schaper

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