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Theatertreffen: Biergartentheater am Potsdamer Platz

Theatertreffen goes Public Viewing, mit Biergartenatmosphäre und Vogelgezwitscher. 150 Berliner Bildungsbürger versammelten sich zum Theaterabend in etwas anderer Umgebung.

"Trinken Sie. Der Trank ist so kühl.", sagt Luise zu Ferdinand. Das lassen sich die Zuschauer auf dem Innenhof des Sony Centers nicht zwei Mal sagen und nehmen noch einen Schluck. Ist ja auch kein Gift drin und im Gegensatz zum Ballhaus Naunynstraße-Ensemble, dessen "Verrücktes Blut" vorne auf der Leinwand kocht und fließt, muss niemand Angst vor einer durchgeknallten Lehrerin haben, die ihren Schülern mit vorgehaltener Pistole Schiller einprügeln will.

Theatertreffen goes Public Viewing - ohne Vuvuzelas und Deutschlandfahnen, dafür mit Biergartenatmosphäre und Vogelgezwitscher. Es sollte "keiner mehr eine Ausrede haben, nicht zum Theatertreffen zu gehen", sagte Iris Laufenberg zum "umsonst und draußen"-Ableger der sonst eher elitären und schnell ausverkauften Abende im Haus der Festspiele. Tatsächlich versammelten sich etwa 150 Berliner Bildungsbürger zum Theaterabend in etwas anderer Umgebung - was nicht heißt, dass man nun die Umgangsformen schleifen lässt. Auch wenn etwa ein Drittel der Zuschauer stehen muss und der Rest (gezwungenermaßen) isst oder trinkt, ist es doch meistens gesittet still. So ausfallend wie die Lehrerin auf der Leinwand wird zwar niemand, aber wer sich erdreistet, den Unterricht, pardon, das Public Viewing zu stören, muss mit einer Abmahnung rechnen. Die freche Jugend von heute entgegnet darauf: "Das is Öffentlischkeit. Das is nich verboten."

Haben sich da etwa völlig neue Zielgruppen aufgetan? Werden nun auch "Schland"-Fans gebannt Ibsen- und Jelinek-Inszenierungen auf Großleinwand verfolgen? Wohl eher nicht. Zumindest interessiert das jugendfreundliche Chaostheater den Punker, der das Rondell kreuzt, herzlich wenig. Auch die Touristengrüppchen auf Durchmarsch gucken nur leicht verwundert darüber, dass erwachsene Menschen es in Kauf nehmen, bei recht kühlem Wetter gut eineinhalb Stunden herumzustehen. Und das, um sich von einer jungen Frau auf einer Leinwand mit den Worten "Ihr Muschis" anbrüllen zu lassen.

Das Theatervolk lässt sich davon nicht beirren und spendet während des Abspanns pflichtschuldigst einen etwa drei Sekunden langen Applaus. Statt zum gepflegten Nachgespräch geht es dann aber hinaus auf den Potsdamer Platz, vorbei an Jugendlichen, die Luises Rat folgen und sich mit kühlem Trank für den Freitagabend aufwärmen.

Sony Center am Potsdamer Platz; So, 16 Uhr: "Das Werk/Im Bus/Ein Sturz"

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