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Kultur: Theologie der Schlange

Gottesbeweis der besonderen Art: die abstruse Komödie „Adams Äpfel“

Vor Pater Ivans kleiner weißer Landkirche, irgendwo in Dänemark, steht ein Apfelbaum. Der Apfelbaum ist unzweifelhaft der biblische Hauptbaum; die erste bedeutende Theologin der Geschichte bewohnte ihn: die Schlange. Aber nicht nur Schlangen, auch Filmregisseure können große Theologen sein. Schlangen-Redner also. Anders Thomas Jensen, der neben eigenen Filmen wie „Blinkende Lichter“, „Dänische Delikatessen“ die Bücher zu „Mifune“ oder „Wilbur wants to kill himself“ schrieb, ist ohne Zweifel ein außerordentlicher Privatdozent der Gotteswissenschaft. Mit einer Besonderheit. Theologische Traktate sind grundsätzlich nicht witzig, „Adams Äpfel“ schon. Was für ein kluger, absurder, urböser, eiskalter, mitleidslos-mitleidsvoller, wunderbarer Film!

Der Apfelbaum vor Pater Ivans Kirche verhält sich vollkommen unauffällig genau bis zu dem Augenblick, als der Neonazi Adam verspricht, einen Apfelkuchen zu backen.

Adam ist ganz neu in Pater Ivans Straffälligen-Kommune. Er hängt sein Lieblings-Hitler-Bild über die Kommode, mehr an ganz persönlichen Dingen besitzt er nicht. Und während die erste Apfelpflückerin der Geschichte einst das Böse in die Welt brachte, scheint Neonazi Adam deren direkter Abgesandter zu sein. Darum ist er ja bei Pater Ivan. Der Pater bekommt immer die aussichtslosen Fälle; einen kleptomanischen Vergewaltiger und einen arabischen Räuber hat er schon. Nirgends sind die Bösen besser aufgehoben als beim Pater, denn der glaubt nicht an das Böse. Ja, „Adams Äpfel“ erzählt die alte Obstbaum-Geschichte über das Gute und das Böse noch einmal.

Allein des Paters Gegenwart empfindet Neonazi Adam (etwas kahl im und auf dem Kopf: Ulrich Thomsen) als permanente persönliche Beleidigung. Er wird diesen Pfarrer schon dazu bringen, seine Existenz anzuerkennen – also die Existenz des Bösen schlechthin. Noch fällt Adams Hitler-Bild beängstigend oft von der Wand, aber nicht mehr lange ...

Er wird den Apfelkuchen backen. Die Lakonie, mit der Jensen seine Geschichte aufbaut und ein verschrobenes Detail auf das nächste setzt, macht „Adams Äpfel“ zu einem unerreichten Kleinod in der Filmografie Gottes. Und seltsam, mit einem Teil unseres zuschauenden Wesens sind wir durchaus auf Adams Seite. Denn des Paters heilige Einfalt, seine durch nichts zu brechende Zuversicht (großartig als Dulder vor dem Herrn: Mads Mikkelsen) ist natürlich eine Zumutung für den wachen Intellekt. Jensen schließt auch nicht die Augen von dem Fanatismus des Guten. Wie der Pfarrer seinen Apfelbaum verteidigt, der plötzlich von allen nur denkbaren Plagen heimgesucht wird!

„Adams Äpfel“ ist die Entstehungsgeschichte von Adams Apfelkuchen – auch eine dänische Karikatur, durchaus leicht blasphemisch – wie jedes lohnende Nachdenken über Gott.

Im Babylon Mitte, CinemaxX Potsdamer Platz, Filmkunst 66, Hackesche Höfe, Kino in der Kulturbrauerei

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