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Kultur: Ticket-Tagestipps: Durch die Stadt klicken

Wahrscheinlich haben Sie es längst gemerkt. Wir Neu-Berliner, die wir uns an diesem Platz verbreiten dürfen, sind weit davon entfernt, Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, eine wirklich neue frische Sicht der aufregendsten Stadt Deutschlands zu liefern.

Wahrscheinlich haben Sie es längst gemerkt. Wir Neu-Berliner, die wir uns an diesem Platz verbreiten dürfen, sind weit davon entfernt, Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, eine wirklich neue frische Sicht der aufregendsten Stadt Deutschlands zu liefern. Wir sind vielmehr eine Selbsthilfegruppe, die hier von ihren Versuchen berichtet, mit der neuen Heimat klar zu kommen, nein, viel banaler, zu wissen, wo wir hier hin gehen können.

Wenn sie uns von unseren Sorgen mal nicht schreiben lassen, dann reden wir untereinander drüber, und zufällige Mithörer könnten glauben, da tauschten sich Bewohner eines Wüstencamps aus: Hast Du Dir hier schon mal eine neue Hose gekauft? Nein, mache ich, wenn ich wieder in Köln bin. - Ich find hier einfach keinen frischen Fisch. Wissen Sie vielleicht was? - Da, die Annonce habe ich gestern in der Zeitung gesehen. Sieht vielversprechend aus. Ja, und dann gehen wir ratlos auf die Alt-Berliner zu und fragen die. Und die nennen uns das KaDeWe. Und die Selbsthilfegruppe hat wieder, was sie sowieso am meisten braucht, einen Grund zur gemeinsamen Klage.

Egal, wie wir über die Pendlerpauschale, die katholische Kirche und den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf denken, im Blick auf den Berliner Alltag werden wir alle Brüder und Schwestern. Und sind inzwischen der Meinung, dass es nicht allein an unserer Alltagsuntüchtigkeit liegt, dass wir einfach keinen inneren Stadtplan hinbekommen. In Stuttgart, Bonn, München, Hamburg, alles auch nicht ganz kleine Städte, ging es schließlich ohne jahrelangen Anlauf. Kein einziger Schreibwarenladen oder gut sortierter Supermarkt in Spaziergang-Entfernung: Ob es dort auch so war und uns nur nie aufgefallen ist?

Aber nun blüht uns Hoffnung - aus dem, was sonst, Internet. Die Stadtführer dort, die sich mit Schinkel und Schadow und dem Charlottenburger Schloss meist schon nicht mehr aufhalten, heißen City Guides und bieten nicht nur die angesagtesten Kneipen (für uns über Vierzigjährige mit minderjährigem Anhang nicht mehr ganz so wichtig), sondern weisen uns auch auf Einkaufsmöglichkeiten hin. Wenn erst mal die Scham überwunden ist, sich von einem in Hamburg ansässigen Magazin in Berlin auf die Sprünge helfen zu lassen, dann wird der Alltag tatsächlich leichter: Erst "Berlin" angeklickt, dann zu "Shopping" weitergehüpft, dann wählen wir den Bezirk, nein, wir nehmen am besten "gesamtes Stadtgebiet", es gibt ja ein funktionierendes Nahverkehrsnetz. Und schon erscheint auf dem Schirm alles, was unsereine braucht: Hosen von ... alle zum halben Preis, U-Bahn x, Bahnhof y, Telefon und Öffnungszeiten. Jetzt weiß ich, wo ich in Mitte Kleider fürs Kind finde oder dem Gatten einen Maßanzug spendieren kann. Mein Netzführer sagt mir auch, ob ich dort einen Parkplatz finde oder besser radle.

Ja, liebe alteingesessene Mitbürger, so einfach und übersichtlich hätten wir uns Eure Hilfe für uns Hilflose mal gewünscht! Na, jetzt brauchen wir sie wohl nicht mehr.

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