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Schulfrust und -lust sind universell. Ob wie hier im John-Lennon-Gymnasium in Berlin-Zehlendorf oder in einer US-Highschool.

© Doris Spiekermann-Klaas

Popkultur und Schule in einem US-Jugendroman: Trauer, Liebe und der ganze verdammte Scheiß

Cliff, der "Neandertaler", beißt sich sich durch: Preston Nortons lebenspraller Highschool-Roman „Kurz mal mit dem Universum plaudern“.

Jungs lesen nicht? Mag sein. Aber dieser packende Roman könnte sie wieder damit beginnen lassen. Mit seinen zahllosen popkulturellen Anspielungen bietet „Kurz mal mit dem Universum plaudern“ reichlich Andockstellen für Nerds, dazu eine rasant-herzzerreißende Geschichte, einen zur Identifikation einladenden Anti-Helden, der einen rotzig-lakonischen Erzählstil pflegt, und in ein ebenso unterhaltsames wie problembeladenes, schulisches Biotop eingebettet ist.

Für die Highschool gebe es drei Regeln, die ins interstellare Gefüge des Universums eingemeißelt seien, lässt Autor Preston Norton den 16-jährigen Clifford Hubbard eingangs erzählen. „Regel Nummer eins: Es ist alles Bullshit“.

Die US-Highschool ist ein mythischer Ort

Tatsächlich war Bullshit-Bingo schon immer eine der Hauptbeschäftigungen an der US-Highschool, deren Mythos nicht nur in Jugendromanen, sondern auch in Filmkomödien wie „Pretty in Pink“ immer wieder neu beschworen wird. Preston Norton lässt seine Variation auf das ewige Coming-of-Age-Thema aber nicht auf den üblichen Showdown zwischen Loser und Football-Star samt ihren Cliquen auf dem Abschlussball zulaufen – einen Ball gibt es in „Kurz mal mit dem Universum plaudern“ glücklicherweise nicht –, aber die konfliktträchtige Kombi Schul-Underdog versus Calvin-Klein-Unterhosen-Model-Gewinnertyp, den gibt es schon.

Ich-Erzähler Clifford trägt schwer an seiner Misanthropie, Cliffs zweiter Vorname könnte Null-Bock-auf-Schule lauten.

Dass er mit seinen Eltern in einem Trailerpark lebt und sich nicht mal ein Smartphone leisten kann, trägt ebenso wenig zu seiner Beliebtheit an der Happy Valley High bei, wie seine regelmäßigen Prügeleien. „Neandertaler“ nennen die anderen den Koloss, der fast zwei Meter groß ist und längst mehr als hundert Kilo wiegt.

Der US-Autor Preston Norton.

© Erin Willmore

Gegen die Zumutungen der Welt und seines prügelnden Säufervaters hat Cliff sich ein solides Polster angefressen. Hilft aber nichts. Dass Shane, sein großer Bruder, mit dem Cliff die Begeisterung für Quentin-Tarantino-Filme und „2001: Odyssee im Weltraum“ teilte, vor einen Jahr gestorben ist, wühlt immer noch als beißender Schmerz in Cliffs Eingeweiden herum. Seine Zuflucht, wenn er nach mal wieder vom Unterricht suspendiert wird oder schwänzt, ist der „Monolith“, eine Bürohausruine am Rand der Stadt.

Cover von "Kurz mal mit dem Universum plaudern".

© Hanser Verlag

[Preston Norton: Kurz mal mit dem Universum plaudern. Aus dem Englischen von Jessika Komina und Sandra Knuffinke. Hanser, München 2022, 448 Seiten, 18 €. Ab 14 Jahre]

Den Monolithen aus „2001“ hat Shane immer als „Tor des Lebens“ bezeichnet. Was das bedeutet, soll Cliff erst am Ende eines turbulenten Selbsterfahrungstrips kapieren, der mit dem Nahtod-Erlebnis von Aaron Zimmermann, dem Footballstar, beginnt. Aaron, mit dem Cliff bis dato immer im Clinch lag, zieht es nach einem Badeunfall magnetisch zu seinem stark irritierten einstigen Kontrahenten. Samt einer fünf Punkte umfassenden Liste „von Gott“, mit der er und Cliff das von Lagerkämpfen vergiftete Leben auf der Highschool besser machen sollen.

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Klar, dass die Gaga-Geschichte sich wie ein Lauffeuer auf der Happy Valley High herumspricht. Sehr zum Missfallen der evangelikalen Esther und ihrer Anhänger namens „Jesus Teens“, die Gott bisher für sich gepachtet zu haben glaubten.

Den Jesus Teens steht eine Truppe von Drogendealern, ein Hacker-Haufen, ein Homosexueller und ein frustrierter Pädagoge gegenüber, den Cliff mittels der „Liste“ daran erinnern soll, warum er ursprünglich mal Lehrer wurde.

Dieses Personal der sozialen, politischen und Generationen-Spaltung lässt Preston Norton mit größter Selbstverständlichkeit aufeinander los. Inklusive einer schön beiläufigen Lovestory, die Cliff erlebt, als sein Selbst- und Welthass abklingt. Das Happyend, in dem sich dann letztlich alle öffnen und einige sich aussöhnen, sogar Tod und Leben, das ist dann ein sehr amerikanischer Moment.

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