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Bier, Beach und Busen. Polt als Italien-Urlauber im Kinofilm „Man spricht deutsh“ (1986). Foto: Cinetext

© Cinetext Bildarchiv

Kultur: Traumberuf Bootsverleiher „Braucht’s des?!“: eine Münchner Ausstellung feiert Gerhard Polt

So manchen Bayern treibt heimlich eine maritime Sehnsucht um. Der aus Garmisch stammende Georg Ringsgwandl, „Gaudibursch vom Hindukusch“, brach zum Studium der Kardiologie nach Kiel auf, um der Ostsee nahe zu sein.

So manchen Bayern treibt heimlich eine maritime Sehnsucht um. Der aus Garmisch stammende Georg Ringsgwandl, „Gaudibursch vom Hindukusch“, brach zum Studium der Kardiologie nach Kiel auf, um der Ostsee nahe zu sein. Dort verliebte er sich unglücklich in eine Anti-Akw-Aktivistin. Längst wohnt er wieder in München-Sendling. Gerhard Polt, 1942 in München geboren und in Altötting aufgewachsen, zählt Venedig und Göteborg zu den „natürlichen bayerischen Hafenstädten“. Nach Schweden hatte es ihn schon mit zwanzig gezogen, mit der schlagenden Begründung: „Bei uns lernen so wenig Leute Schwedisch.“

Im erzkatholischen Altötting kursierte eine Warnung aus dem Dreißigjährigen Krieg: „Bet, Kindlein, bet, morgen kommt der Schwed.“ Im Mai wird er wieder in Stockholm sein, zum 400. Jubiläum der Deutschen Schule, und eventuell mit der Königsfamilie feiern, „wenn’s mi einladen“. Silvia und Carl Gustaf hatte der Skandinavist schon bei einem Auftritt vor der Schwedisch-Deutschen Handelskammer amüsiert, als er unter anderem den Effekt einer „flaska Bardolino“ fließend in der Landessprache schilderte.

Gerhard Polts Liebe zum Wasser, ob salzig oder süß, manifestiert sich in einer Ausstellung mit dem lakonischen, ur-poltischen Titel „Braucht’s des?!“ als 25 Meter langer Bootssteg. Seit vielen Jahren ist Polt am Schliersee zu Hause. „Zitternd“ habe er dorthin einen Boten entsandt, sagt der Leiter des Münchner Literaturhauses Reinhard Wittmann. Ob es dem Kabarettisten, Sprachkünstler und Philosophen recht wäre, wenn zu seinem 70. Geburtstag am 7. Mai eine Ausstellung arrangiert würde? Ganz überzeugt wirkte der Geehrte bei der Eröffnung noch nicht, meinte aber immerhin: „Besser eine Ausstellung, als wenn man ausgestopft wird.“

Ein lebender Mensch verdiene keine Biografie, ist Polt überzeugt. Eine Drei minus bis Vier plus strebt er als Lebens-Gesamtnote an, denn das sei „die Eins des kleinen Mannes“. Dieses mitunter abgründige Understatement, verbunden mit einer einzigartigen Mimik, hat ihn berühmt gemacht. Unvergessen sein zehnminütiges Schweigen bei der Verleihung des Deutschen Kleinkunstpreises 1980. „Ich sag nix!“ kündigte er an, nachdem ihm ein Fernsehverantwortlicher untersagt hatte, den damaligen Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann, der einen Meineid hatte zugeben müssen, als „Old Schwurhand“ zu bezeichnen.

Der hölzerne Steg geleitet durch Polts Lebens- und Berufsstationen wie das zehnjährige „Gastspiel“ in Altötting, wo er – zum großen Neid seiner Freunde – in einem Haus mit Metzgerei und „Auskochgeschäft“ lebte, vorbei an einem verschlossenen Karton mit Ehrungen und Auszeichnungen, der ersten vielstimmigen Hörcollage „Als wenn man ein Dachs wär’ in seinem Bau“ von 1976 oder der legendären Fernsehserie „Fast wia im richtigen Leben“ aus den Jahren 1979 bis 1988, zufällig auch das Todesjahr von Franz Josef Strauß.

In der Regie von Hans Christian Müller demaskierten Polt und seine Partnerin Gisela Schneeberger die Nachtseite des bayerischen Kleinbürgertums mit einer bis heute unerreichten Treffsicherheit. Zum Beispiel in der Sequenz „Wohnen in München“. Als das Maklerpaar durch den Spion einen schwarzen Interessenten erblickt, zischt sie ihm zu: „Bleib ganz ruhig!“. Beide verfallen in eine Schockstarre, bis der Mann wieder geht.

Den Steg lässt die Kuratorin Sandra Wiest auf die Stirnwand der länglichen Ausstellungshalle zulaufen und damit auf die augenfälligste der Video-Einspielungen, in die sich die Besucher via Audio-Guide einklinken können. Frierend am Ufer des Schliersees sitzend, philosophiert Polt überlebensgroß über seinen eigentlichen Traumberuf, den des Bootsverleihers. Nicht fehlen dürfen seine Auftritte mit den Biermösl Blosn und Dieter Hildebrandt in „Diridari“ oder der Film „Man spricht deutsh“, der in Italien für Verstimmung sorgte. Bis heute regt sich der Kabarettist gern über die CSU auf, etwa wenn es um die geplante Autobahntrasse durch das Isental geht.

„Wir wollten die rupfen“, sagt Polt im Rückblick auf zwei Auftritte in Ost-Berlin und Leipzig 1986. „Neues Deutschland“ und „Leipziger Volkszeitung“ kommentierten denkbar einsilbig. Als er ins – politisch gesiebte – Publikum gefragt habe „Was will der Russe?“, sei es plötzlich „ganz stad“ geworden. „Ich hätte wohl besser Sowjetmensch gesagt.“

Eine evangelische Taufe und eine katholische Kommunion machten ihn schon früh mit den Komik generierenden Widersprüchen des Lebens vertraut. Wie Karl Valentin nimmt er dieses bevorzugt in der Froschperspektive wahr, „aber die gastronomische Kategorie unterscheidet uns“, bekennt der Schweinsbraten-Liebhaber. Gerhard Polts Protest gegen eine Biografie zu Lebzeiten ignorierend, liegt zu seinem runden Geburtstag eine eher schwächliche von Gerd Holzheimer vor (LangenMüller Verlag), außerdem eine zehnbändige Werkausgabe samt CD-Box und ein Gesprächsband mit der Fotografin Herlinde Koelbl (bei Kein & Aber). Denkt er ans Aufhören? „Ja, mit was?“

„Braucht’s des?!“ – Ausstellung im Literaturhaus München (www.literaturhaus-muenchen.de), bis 10.Juni.

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