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Tyler Joseph und Josh Dun vom US-amerikanischen Duo Twenty One Pilots.

© dpa

Twenty One Pilots live in Berlin: Nebel, Hasen, Heiterkeit

Das US-Duo Twenty One Pilots führte in der Berliner Max-Schmeling-Halle eine Rock-Revue der Reizüberflutung auf.

Einmal macht Josh Dun etwas sehr Interessantes. Der Drummer positioniert sich auf dem Klavier seines Bandkollegen Tyler Joseph und führt anschließend einen tadellosen Rückwärtssalto aus, der in einem Sprint zurück zu seinem Schlagzeug mündet. Das Publikum staunt ehrfürchtig, wie auch in den Momenten, als Tyler Joseph sich mittels eines schwarzen Tuches wegzaubern lässt oder in einem großen, rot eingefärbten Plastikball über das Publikum surft.

Twenty One Pilots sind spätestens mit dem im vergangenen Jahr erschienenen vierten Album „Blurryface“ eine sehr große Band. In den USA verkaufte sich die Platte mehr als eine Million Mal. Mit „Stressed Out“ und „Ride“ schafften es zwei Songs in die Top Ten der Single- Charts. Dass das Duo aus Columbus, Ohio, auch in Deutschland eine feste Größe ist, macht der Abend in der Max-Schmeling-Halle eindrücklich klar. Die Halle ist gut gefüllt, das Publikum jung und zu nicht unerheblichen Teilen bereits in aktueller Merchandise-Ware gekleidet.

Vielleicht sind die Twenty One Pilots die Rettung der Rockmusik, womöglich auch ihr Todesstoß, so genau ist das an diesem Abend nicht erkennbar. Schnell erkannt ist, woher sie kommen. Die Rot-Weiß-Schwarz-Optik ihrer Corporate Identity, die modischen Codes, mit denen sie arbeiten, nicht zuletzt Fueled By Ramen als das Label, das sie groß gemacht hat: All das deutet doch sehr auf die letzte Phase des sogenannten Emo-Rocks hin, auf Gruppen wie Fall Out Boy, My Chemical Romance oder Panic! At The Disco. Diese DNA macht sich musikalisch jedoch kaum bemerkbar.

Große Teile der Musik scheinen aus dem Rechner zu kommen

Anstatt ein Genre zu bedienen, bedienen sich Twenty One Pilots an allen Genres. Es gibt dröhnende Skrillex-Beats ebenso wie fast an Kinderlieder erinnernde Melodien. Hip-Hop – unter anderem covert das Duo kurz House Of Pains „Jump Around“ – trifft auf Gitarrenrock, was insofern spannend ist, als dass gar kein Gitarrist auf der Bühne steht. Ist das Schiebung? Oder einfach nur postfaktisch?

Die Auflösung des Authentizitätsgedankens als wesentlicher Pfeiler der Rockmusik ist die eine Dominante des Abends. Zwar wird Tyler Joseph offiziell als „Multiinstrumentalist“ bezeichnet, hat mal den Bass in der Hand, mal die Ukulele, spielt Klavier. Große Teile der Show scheinen jedoch komplett aus dem Rechner zu kommen. Ferner fällt auf, dass die dramaturgische Form des Konzertes als Reihung von Songs für Twenty One Pilots offenbar keine Rolle mehr spielt. Ihnen geht es eher um Momente, die zusammengenommen eine Art Revue bilden.

Wieso tragen sie eigentlich Sturmhauben?

Da, die Nebelschübe vor der Bühne! Huch, jetzt steht der Kerl plötzlich auf einem Minipodest im hinteren Teil des Hallenrunds. Lustig, ein Hase auf der Leinwand! Oh, jetzt ein tanzendes Skelett! Und wieso tragen die eigentlich gerade Sturmhauben?

Snack-Inhalte für eine Zielgruppe, der man eine niedrige Aufmerksamkeitsspanne nachsagt: Man kennt diese Reizüberflutung bisher vor allem aus dem R’n’B- oder dem Boyband-Bereich, von Justin Bieber, Rihanna, One Direction. In der Rockmusik wurde sie bisher selten so direkt zum Wirkprinzip erhoben wie hier.

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