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Bedrohte Kultur. In Odessa wird ein Denkmal mit Sandsäcken geschützt. Foto: REUTERS/Alexandros Avramidis

© Reuters/Alexandros Avramidis

Ukrainische Kultur: Neues Institut in Berlin eröffnet

Mit Hilfe des Goethe-Instituts: Erste Auslands-Dependance will Kulturdiplomatie fördern

Vier junge Frauen stehen auf der Bühne, das Team des Ukrainischen Instituts in Berlin. Kateryna Rietz-Rakul ist zu Tränen bewegt, als sie davon spricht, welch große Ehre es für sie sei, hier für ihre Heimat zu arbeiten. Sie leitet das Kulturbüro in Berlin - die erste Dependance des Ukrainischen Instituts mit Sitz in Kiew, das 2017 gegründet wurde.

Es ist eine harte Tatsache, aber die Kultur der Ukraine wird im Westen erst seit dem russischen Angriff in einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen. Denn dieser russische Krieg richtet sich auch gegen die kulturelle Eigenständigkeit des Nachbarlandes. Museen, Kirchen, Schulen, Erinnerungsorte werden gezielt attackiert.

„Unsere Sprache, unsere Kultur, unsere Geschichte sollen zerstört werden. Es geht um unsere Existenz.“ Das hat der ukrainische Kulturminister Oleksandr Tkachenko bereits im Juni 2022 im Interview mit dem Tagesspiegel erklärt.

Beispielhafte Zusammenarbeit

Volodymyr Sheiko ist Generaldirektor des Ukrainischen Instituts. Er spricht fließend deutsch. Im Kesselhaus der Berliner Kulturbrauerei, wo der Festakt zur Eröffnung steigt, sagt er dann: „Ich spreche zu Ihnen auf Ukrainisch, weil es wichtig ist, dass unsere Sprache in Europa gehört wird.“

Die neue Repräsentanz der Ukraine hat ihren Sitz im Kulturhaus Acud in der Veteranenstraße. Sie wurde eingerichtet mit Unterstützung des Goethe-Instituts, das eng mit der Zentrale in Kiew zusammenarbeitet, und den Open Society Foundations, die George Soros finanziert; ein beispielhaftes Joint Venture. Im Acud läuft auch die Veranstaltungsreihe „Goethe Institut im Exil“; dort ging es zuletzt um den Iran.

Die Ukrainer denken daran, ihre kulturellen Aktivitäten auf andere europäische Länder und womöglich auch andere Kontinente auszuweiten. Sie wollen ein aktuelles Bild ihres Landes vermitteln, das Bild einer freien und starken Demokratie.

Das Pathos der Verteidiger

Ukrainische Abende in Berlin sind geprägt von Widerstandskraft, gutem Pathos und Appellen. Botschafter Olekseii Makeiev stellt sich vor, das Berliner Café Moskau dauerhaft in Café Kiew umzuwidmen, in ein Haus der Ukraine. Denn „ukrainische Kultur ist cool“.

Das hat man bei der Eröffnungsfeier des Ukrainischen Instituts gespürt. Aber es ist kein modisches, abgegriffenes „Cool“. Das Bläserquintett des Staatlichen Präsidentenorchesters gibt den Grundton an. Feierlich, schmerzhaft, kraftvoll. Die fünf Männer spielen einen Choral der Komponistin Anna Havrylek. Sie starb in den ersten Kriegstagen in Kiew bei einem Drohnenangriff. Die 63-Jährige erlitt einen Herzinfarkt.

In einer Performance mit Musik wird ein Text von Natalia Blok verlesen. Sie lebt in Basel im Exil. In Sicherheit. Sie stammt aus Cherson. Die Erzählung erinnert an die Platanen der Stadt, die im Sommer Schatten spenden. In ihrer Trauer und ihrem Heimweh kann sie den Anblick von Platanen anderswo kaum ertragen. Sie trifft geflüchtete Menschen im Zug, die kaum sagen können oder wollen, was ihnen widerfahren ist.

Das Theater in Mariupol wurde bei russischen Angriffen zerstört. Hunderte Zivilisten starben. Foto: Alexei Alexandrov/AP/dpa

© dpa/Alexei Alexandrov

Horrende Geschichten, die man immer wieder hört und liest. Und noch lange hören und lesen wird. Wenn die Aufmerksamkeit nicht nachlässt. Das ist eine große Gefahr in diesem russischen Angriffs- und Abnutzungskrieg.

Mit ihrer Kulturdiplomatie geht die Ukraine schnell voran. Übers Jahr sind etliche Programme und Auftritte geplant. Ende April gastieren ukrainische Musiker bei der c/o Pop in Köln. Im September eröffnet dort das Museum Ludwig die Ausstellung „Modernismus in der Ukraine 1900-1930“. Zuvor zeigt das Albertinum in Dresden „Ukrainische Kunst 1912-2023“.

Die Berliner Festspiele präsentieren während des Theatertreffens ukrainische Plakatkunst, das Literaturhaus Berlin bringt Autorinnen und Autoren aus der Ukraine mit deutschen Verlagen zusammen. Kultur ist keine Waffe. Doch sie dient der Selbstverteidigung und Selbstvergewisserung.

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