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Nach fünf Ermittlungen war Schluss. Heike Makatsch wird als Ellen Berlinger nicht weiter ermitteln.

© dpa/Peter Porst

Unfreiwillige und freiwillige Abgänge: Der „Tatort“ hat ein Frauenproblem

Heike Makatsch darf nicht mehr ermitteln, Franziska Weisz’ Kommissarin gilt als „auserzählt“.

Ein Kommentar von Joachim Huber

So ein Ende muss abrupt genannt werden. Heike Makatsch hört nach nur fünf „Tatort“-Einsätzen als Kommissarin Ellen Berlinger auf. Der verantwortliche Südwestrundfunk nennt finanzielle Gründe für das Aus, der Sender muss nach eigenen Angaben Mittel vom Linearen ins Nonlineare, in die Mediathek umschichten. Mag so sein, aber die Begründung reicht nicht hin, warum aus den vier „Tatort“-Teams des Südwestrundfunks – Mainz, Schwarzwald, Ludwigshafen, Stuttgart – ausgerechnet Ermittlerin Berlinger ausscheiden muss.

Makatsch schweigt

Von Heike Makatsch selber gibt es keine Erklärung, bekannt geworden ist jedenfalls nicht, dass sie ihre Figur aus eigenen Stücken aufgeben wollte. Was dieser Schauspielerin widerfährt, hat gerade auch Franziska Weisz erleben müssen. Der NDR schneidet ihre Ermittlerin Julia Grosz aus dem „Tatort“ raus, Julia Grosz sei „auserzählt“, meint NDR-Filmchef Christian Granderath. Thorsten Falke, gespielt von Wotan Wilke Möhring, ist ebenso lange wie Julia Grosz in diesem „Tatort“ dabei - und wird es auch bleiben. Wie merkwürdig ist dann denn: Grosz ist auserzählt, Falke aber nicht?

Die beiden Personalien – Makatsch/Berlinger und Weisz/Grosz – werfen Zweifel auf, ob Frauen-Figuren, sprich Ermittlerinnen im ARD-Paradekrimi dieselbe Fürsorge, dasselbe Entwicklungspotenzial, denselben Drehbuch-Regie-Glanz bekommen wie ihre männlichen Kollegen.

Laut NDR ist die Ermittlerin Julia Grosz, gespielt von Franziska Weisz, „auserzählt“.

© NDR/Meyerbroeker/Meyerbroeker

Ob Sparzwänge, freiwillige oder erzwungene Abschiede – Schauspielerinnen haben im „Tatort“ weniger Überlebenschancen als Schauspieler. Köln, München, Münster, hier werden die Dietmar Bärs, Udo Wachtveitls und Axel Prahls weit und noch weiter in ihre TV-Rentenzeit hineinspielen. Warum auch nicht? Ihre „Tatort“-Teams gehören zu den quotenträchtigsten, was sicherlich damit zusammenhängt, dass die verantwortlichen Redaktionen eminent um Akzeptanz, Bindungskraft und Erfolg beim Publikum bemüht waren. Zu diesem Forever-Personal kann sich nur noch Ulrike Folkerts aus Ludwigshafen zählen, ihre Lena Odenthal ermittelt seit 1989.

Alwara Höfels und Karin Hanczewski in Dresden, Dagmar Manzel in Franken, Anna Schudt in Dortmund, Meret Becker in Berlin, all diese und weitere Schauspielerinnen haben dem „Tatort“ Adieu gesagt. Fast immer mit der gleichlautenden Begründung, dass sie sich anderen Herausforderungen zuwenden wollen. Schauspielerinnen scheinen größere Abenteuerlust zu besitzen als Schauspieler, sie verstehen das „Tatort“-Engagement nicht als Lebens-, sondern als Lebensabschnittsrolle. Das ist mutig bis wagemutig.

Drängt sich die Frage auf, ob die verschiedenen ARD-Sender Probleme mit Frauen, Frauen-Figuren, mit Krimi-Ermittlerinnen haben. Der freiwillige, noch schlimmer, die erzwungene Häufigkeit im Abgang erzählt auch eine Geschichte des Versagens. Nur konventionelle Drehbücher, mangelhafte Figuren-Entwicklung, verengte Perspektiven, nein, der „Tatort“ meint es mit Frauen deutlich schlechter als mit Männern.

Die Redaktionen sollten genau hinschauen, wen sie für Buch und Regie auswählen, welche Schauspielerin für eine „Tatort“-Ermittlerin gecastet wird. Schon da könnten die ausschlaggebenden Gründe für dieses Missverhältnis zwischen den Kommissarinnen und Kommissaren im „Tatort“ liegen. Anders gesagt: Der Krimi hat ein Männerproblem, oder andersherum, ein Frauenproblem.  

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