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Kultur: Unter einem Dach

Heute bekommt die Berlinische Galerie ein eigenes Haus und hat ein Problem. Was wird aus den Berliner Landesmuseen?

Wer dieser Tage seine Ruhe sucht, der geht am besten ins Museum. Nicht gerade in die Cartier-Bresson-Retrospektive im Gropius-Bau und wohl auch weniger in die Neue Nationalgalerie, wo sich wartende MoMAisten-Schlangen trotz Mittagshitze zweimal ums Haus wickeln. Als Oase der Stille empfiehlt sich das Märkische Museum, 1908 eröffnetes Flaggschiff der Stiftung Stadtmuseum Berlin. Zum Köllnischen Park, dem Sitz des Hauses, zieht es derzeit nämlich nicht mehr als fünf- bis sechshundert Besucher pro Woche. Plakate, die auf seine Bestände zur Kultur- und Stadtgeschichte hinweisen, sucht man vergebens. So bleibt es in Ludwig Hoffmanns Backsteinbildungsburg selbst bei kühleren Temperaturen und sehenswerten Sonderausstellungen merkwürdig starr und eben still.

Seit der Eröffnung der Großen Halle vor drei Jahren stockt die Sanierung, obwohl die Pläne zum Ausbau der Dachgeschosse schon abgesegnet in der Schublade liegen. Das Märkische Museum verharrt in einem halb geweißelten, halb vor sich hin gammelnden Dämmerzustand, den meisten anderen Häusern der Stiftung Stadtmuseum geht es nicht besser. Denn das west-östliche Museumskombinat leidet seit seiner Gründung 1995 an Altlasten, Übergröße und Profillosigkeit. Zum Sanierungsfall wurde es, nachdem 1998 Libeskind-Bau und Kollegienhaus – zusammen waren sie für das ehemalige Berlin Museum konzipiert worden – an das Jüdische Museum abgegeben werden mussten. Nun überarbeitet der seit einem Jahr amtierende Generaldirektor Kurt Winkler das Strukturkonzept der Stiftung: eine Reform der Reform unmittelbar vor der ganz großen. So plant der Senat, das Stadtmuseum im kommenden Jahr in einem noch ausladenderen Museumsverbund aufgehen zu lassen.

Als Baustelle ganz anderer Art präsentierte sich in den vergangenen sieben Jahren das zweite große Landesmuseum, die Berlinische Galerie. Ihr neues Quartier in der Alten Jakobstraße wird den Museumsleuten heute zur Einrichtung übergeben. Der Umzug der Sammlungen in das 3000 Quadratmeter große Kellerdepot läuft seit einer Woche, eröffnet wird am 22. Oktober. Ein Wunder. Sieben Jahre lang blieb das 1975 als Ort der modernen Kunst gegründete Museum geschlossen, man arbeitete ohne eigenes Haus, lieh seine in Berlin bemerkenswert unbekannten Bestände in alle Welt aus. Ein Überleben aus dem Koffer, das nicht einmal preiswerter gewesen ist als ein allen zugängliches Museum.

Eine Berliner Geschichte: Nachdem 1997 die Räume im Martin- Gropius-Bau geräumt werden mussten, setzte ein peinliches Planungskarussell ein: Als Standorte waren das historische Postfuhramt in der Oranienburger Straße sowie die Kellergewölbe einer ehemaligen Schultheiß-Brauerei am Fuß des Kreuzbergs im Gespräch. Das mutmaßlich über 50 Millionen Euro teure Mitte-Projekt wurde durch die damalige Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing gestoppt, das Abtauchen im Kreuzberger Untergrund vereitelte ein bankrotter Projektentwickler.

Schließlich richtete ein privater Bauträger für 18,7 Millionen Euro die ehemalige Glaslagerhalle des Senats unweit des Jüdischen Museums her. Eine unprätentiöse Kunstkiste in berlinisch-zentraler Randlage: Nebenan gibt es ein paar Wohnblöcke aus IBA-Zeiten, ein türkisches Theater und einen Streichelzoo. Vielleicht steckt inmitten solch urbaner Ungereimtheiten ja die große Chance für das Museum und seinen Direktor. Jörn Merkert wird dorthin gezielt Besucher locken müssen. 4600 Quadratmeter Ausstellungsfläche erlauben es, anders als in der Neuen Nationalgalerie, Wechselausstellungen und die ständige Sammlung gleichzeitig zu zeigen. Zu ihr gehören Werkgruppen von Naum Gabo, Ed Kienholz und Emilio Vedova – beileibe nicht nur Abschöpfungen von in Berlin wirkenden Residence-Künstlern. Schärft die Wiedererweckung einer lange entbehrten Kollektion endlich das Bewusstsein dafür, was Berlin in seinen Landesmuseen besitzt? Es sind, trotz ernsthafter Gebrechen, Schatzhäuser von mehr als nur kommunalem Rang.

Eine Herausforderung: Selbst die fantasiebegabte Spezies des Museumsgängers schätzt es, ein Museum nicht erst suchen zu müssen. Und sie hat auch nichts gegen professionelles Marketing. Insofern spricht die Abstimmung mit den Füßen, die auch etliche Museen der vom Bund geförderten Stiftung Preußischer Kulturbesitz trifft, eine deutliche Sprache. Berlins Kultursenator Thomas Flierl reagierte denn auch auf seine Weise: mit der Forderung, dass sich die Stiftung Stadtmuseum, die Berlinische Galerie und eines oder mehrere der kleineren landeseigenen Museen unter dem Dach einer neu zu gründenden „Stiftung Berliner Landesmuseen“ zusammenfinden sollen, zu der auch das Brücke-Museum gehören soll.

Synergien lautet – wie schon bei der noch immer unvollendeten Opernreform – Flierls Zauberwort. Entlassen wird natürlich niemand, doch soll es mittelfristig einen kräftigen Stellenabbau und eine neue, weisungsberechtigte Generaldirektion nach dem Vorbild der Staatlichen Museen geben. Die Freiheit der beteiligten Landesmuseen in Programmfragen, so beteuerte Flierl im März vor dem Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses, bliebe dabei unbedingt erhalten.

„Fusionitis“ argwöhnen dagegen die Kritiker des Konzepts wie der ehemalige CDU-Kulturstaatssekretär Lutz von Pufendorf. Als Chef des Fördervereins lehnt er es ab, das Brücke-Museum in Flierls Planspiele einzubeziehen. Der Streit war im Frühsommer eskaliert, als Hans Geissert, Großneffe und Nachlassverwalter Erich Heckels, über tausend vom Künstler und seiner Witwe gestiftete Gemälde und Grafiken zurückforderte, sollte es zur Vereinigung kommen. Kultusstaatssekretärin Barbara Kisseler bemüht sich derzeit in Gesprächen um Schadensbegrenzung: „Durch die rechtlich-organisatorische soll keine museumspolitische Änderung herbeigeführt werden. Hauptmotiv der Reform ist es vielmehr, die städtischen Häuser gegenüber den Staatlichen Museen in Berlin wettbewerbsfähig zu machen.“

Denn auch Magdalena M. Moeller, die Direktorin des kleinen Zehlendorfer Spezialmuseums, hatte sich zur Stiftungsidee vor dem Kulturausschuss skeptisch geäußert. Doch als Leiterin einer nachgeordneten Einrichtung kann sie zum Mitmachen verdonnert werden. Das ist bei ihren Kollegen vom Stadtmuseum und der Berlinischen Galerie anders. Die werden vom Finanzsenator deshalb mit Etatkürzungen bedrängt: 230000 Euro soll die Berlinische Galerie im nächsten Jahr einsparen, beim Stadtmuseum sind es sogar 495000 Euro. Käme es zur Stiftung, so hoffen Merkert und Winkler vom Rotstift gebeutelt, würden künftig eingesparte Mittel nicht im Landeshaushalt versickern, sondern den Museen weiterhin zur Verfügung stehen.

Seit anderthalb Jahren handeln die drei Museumsdirektoren mit der Kulturverwaltung das Kleingedruckte aus. Ob es eingelöst werden kann, dürfte ebenso von der Person des Generaldirektors abhängen wie von der Kooperation fachlich nur bedingt kompatibler Institutionen. Gemeinschaftsausstellungen hätte man schließlich schon früher haben können. Frühestens im Oktober wird der Senat über das Konzept beraten. Als Stiftungsgesetz soll es möglichst noch Anfang 2005 in Kraft treten.

Für Thomas Flierl ist Eile geboten, will er in dieser Legislaturperiode noch eine Reform verkünden. Mit ihr entstünde ein Museumstanker, der zu den zehn größten deutschen Landesmuseen gehören würde. Mit den Staatlichen Museen allerdings wird man selbst unter solchen Bedingungen nicht ernsthaft konkurrieren können. Aber vielleicht bewahrheitet sich doch einmal, was schon Walter Ulbricht wünschte: Überholen ohne einzuholen.

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