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Kultur: Unter Latten

„Wärme“: Der Vattenfall- Fotopreis bei c/o Berlin

„Wärme“ lautet das Motto des Vattenfall-Fotopreises 2010, doch treffender wäre „Verlorenheit“. Verloren steht die alte Dame im Unterholz eines Birkenwäldchens und schaut, als lausche sie einer inneren Stimme. Auf einem anderen Foto lässt sie sich die weißen Locken legen und blickt dabei verzweifelt. Elke Gärtner ist an Alzheimer erkrankt. Gemeinsam mit ihrem Mann ist sie im Wohnwagen zu einer letzten großen Reise aufgebrochen, von Polen bis nach St. Petersburg. Die Berliner Fotografin Sibylle Fendt hat sie begleitet. Mit der Mittelformatkamera hat sie Momente des Glücks festgehalten, aber auch der Erschöpfung und Isolation. Für ihre Serie „Gärtners Reise“ hat Fendt nun den mit 10 000 Euro dotieren ersten Preis des Wettbewerbs für junge Fotografen erhalten, dessen prämierte Beiträge nun bei c/o Berlin (Oranienburger Str. 35/36, bis 2. 11.; tägl. 11 bis 20 Uhr) zu sehen sind.

Verloren wirken auch die Motive von Sebastian Keitel, dem Gewinner des zweiten Preises. Der 1983 geborene Fotostudent hat in Vietnam provisorische Schlafstätten fotografiert, die Wanderarbeiter in Rohbauten aufgeschlagen haben. Sachlich von Kunst- und Tageslicht ausgeleuchtet, wirken die fragilen Gebilde aus Moskitonetzen und Latten wie museal inszenierte Skulpturen. Decke, Rucksack und Zahnbürste erzählen wenig von Wärme, aber viel von Unbehaustheit und Vereinzelung. Die Mitglieder der Jury, unter ihnen der Fotojournalist Robert Lebeck, haben das Wettbewerbsmotto souverän interpretiert. Der dritte Preis ging an Johannes Heinke aus Weimar für eine Serie über Bücher, die beim Brand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek beschädigt wurden.

Gewonnen haben nicht zuletzt die Veranstalter. Der Energiekonzern präsentiert den 2009 gegründeten Wettbewerb erstmals an einem renommierten Ausstellungsort. Das Fotohaus hat eine Schau erhalten, deren subtile Aufnahmen einen Kontrast zu den plakativen Schwarz-Weiß-Bildern von Altstar Peter Lindbergh in der Hauptausstellung von c/o Berlin bilden. Und vielleicht hat es auch einen langfristigen Partner gefunden. Die angekündigten Sparmaßnahmen bei Vattenfall, so sagte die Kuratorin der Unternehmenssammlung Hanna Marie Ebert am Eröffnungstag, werden den Fotopreis nicht treffen. Claudia Wahjudi

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