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Unternehmer: Den Spieß umgedreht

In Deutschland werden 300.000 Unternehmen von Migranten gegründet oder von deren Nachkommen weitergeführt. Das Museum Europäischer Kulturen stellt ausländische Unternehmer vor, die es hier geschafft haben.

Es kommt nicht allzu oft vor, dass Messer, Handschuhe und Plastikschürzen, die in jedem Fachgeschäft der Lebensmittelindustrie zu haben sind, als Kulturzeugnisse in einem Museum ausgestellt werden. Sogar ein Haarnetz ist zu sehen. Für Metzger. Doch „Döner, Dienste und Design“, eine Sonderschau des Museums europäischer Kulturen, will auf etwas anderes hinaus. Hier werden die Erfolgsgeschichten von 26 Berliner Unternehmern mit Migrationshintergrund nacherzählt – und Alltagskultur ausgebreitet in den Werkzeugen der jeweiligen Zunft. Das riecht nach Exotismus. Das schöne Fremde: Im Museum darf es sich bekennen. Dass die Ausstellung ausgerechnet im benachbarten Ethnologischen Museum stattfindet, während das Museum europäischer Kulturen renoviert wird, ist dabei ein bizarrer Zufall.

In Deutschland werden 300 000 Unternehmen von Migranten gegründet oder von deren Nachkommen weitergeführt. Allein in Berlin, wo täglich 25 000 Kilo Döner verzehrt werden, erwirtschaften türkische Betriebe einen Jahresumsatz von 3,5 Milliarden Euro. Die Zahlen sprechen für sich. Die Ausstellung tut das nicht. Lediglich kleinformatige Fotos und Kurzbiografien der eingewanderten Selfmade-Unternehmer informieren darüber, zu welcher Integrationsleistung Menschen fähig sind: Da gibt es Schmuckhändler, Obstverkäufer, Bäcker und Imbissbetreiber. Außerdem, Herr Sarrazin möge staunen, Zahnärzte, afrikanische Fernsehmacher und eine US-amerikanische Friseurin, die sich auf krauses Haar spezialisiert hat.

Doch bei aller Liebe zum Detail, den Fleischspieß, von dem siedendes Fett tropfen müsste, will man nicht in einem Glaskasten bewundern als Artefakt einer, ach, so gelungenen Eingemeindung. Die Darstellung der Migrantenökonomie wirkt hier primitiv. Als wolle man einem Kind erklären, dass es auch gute, geschäftstüchtige Ausländer gibt, die freilich ein kurioses Produktdesign pflegen. Sollte diese Ausstellung eine Visitenkarte dafür sein, wie man sich in den Dahlemer Museen eine breitenwirksame Darstellung der von außereuropäischen Einflüssen geprägten deutschen Alltagskultur im künftigen Humboldt-Forum vorstellt?

Warum tut man sich so schwer, die Begriffe „Erfolg“ und „Ausländer“ in einen Sinnzusammenhang zu stellen? Warum ist versäumt worden, die Entstehung einer neuen Mittelschicht nachzuzeichnen, in der erwirtschafteter Wohlstand nicht mehr in die jeweiligen Heimatländer transferiert, sondern in Berlin reinvestiert wird? Zum Beispiel in den Bau einer prächtigen Moschee mit weithin sichtbaren Minaretten?

Als gebe es nicht Zündstoff genug nach dem Schweizer Entscheid, sind in Dahlem Schere und Babyschuhe in einer Vitrine drapiert. Das deutsch-türkische Ehepaar Claudia und Selim Özyiyin hat sich den Traum von der Selbstständigkeit mit dem „Lederladen“ in Kreuzberg erfüllt. In einem Raum mit viel Holz und viel Leder malen die Beiden seit neun Jahren Muster, erstellen Schnittmodelle, nähen Schuhe. Hier spricht Claudia Özyiyin offen darüber, wie junge Türken den Kiez prägen. „Die Voreingenommenheit der Deutschen wird jeden Tag bestätigt“, sagt sie über den Kreislauf aus Argwohn und Gegenhohn. Größeren Respekt seitens der Deutschen verlangt Selim Özyiyin allerdings nicht. Er erwartet Klarheit, Ehrlichkeit. Und dazu gehört auch, dass die wachsende Zahl an selbstständigen Migranten nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass das Bildungsgefälle und die Arbeitslosigkeit unter Türken signifikant hoch ist.

Auch „Döner, Dienste und Design“ lässt einen Blick auf die Fallhöhe vermissen, die zwischen Existenzgründung und Schuldenlast klafft. Nichts darüber, wie viele Ausländer scheitern mit ihrem Wunsch nach wirtschaftlicher Unabhängigkeit. Man zeigt, aber erzählt nicht. Da können die Porträtierten noch so interessante Lebensgeschichten haben, wie viel Geschichte in einem Döner steckt, erfährt man nicht auf dem Foto, das Hanefi Aydin zeigt. Sondern erst, wenn man ihn trifft.

„Als ich 1977 von Ostanatolien nach Berlin kam, wussten die Leute nicht mal, was eine Aubergine ist“, sagt der türkische Unternehmer. Mit der Dönerproduktion, 1992 gegründet, erzielt er einen jährlichen Umsatz von drei Millionen Euro. Der 49-Jährige beliefert hundert Kunden. Derzeit arbeitet er an einer Marketingstrategie für die Dönerindustrie.

Aydin sagt: „Unsere Leute haben viel für dieses Land getan. Das darf nicht vergessen werden.“ Es sind solche beiläufig gesprochenen Sätze, die von einem gestärkten Selbstvertrauen künden und jede „Ausländerdebatte“ weit hinter sich lassen. Eine Aufgabe, die eigentlich „Döner, Dienste und Design“ erfüllen sollte. Dass es erst des EU-Projekts „Unternehmenskulturen in europäischen Städten“ bedurfte, um diesen Berliner Beitrag zu initiieren, wirft überdies ein schiefes Licht. Gewiss, Migranten macht er Mut, indem er zu Risikobereitschaft aufruft und einmal andere Bilder als das des „Kopftuchmädchens“ versammelt.

Zu gerne hätte man erfahren, woher sich die Firmengründer das Startkapital leihen. Ob sie es von einer Bank bekommen oder es sich von der Familie geben lassen, wie Aydin im Gespräch einräumt. Das Zertifikat für Qualitätsmanagement, das Aydin ausgestellt wurde und das jetzt neben dem Haarnetz liegt, erklärt die Umstände leider nicht, unter denen viele Ausländer leben. Von der Großfamilie, die von Sozialhilfe ernährt werden muss, keine Spur.

Bis 28. 2., Lansstr. 8, Berlin-Dahlem, Di.–Fr. 10–18, Sa. u. So. 11–18 Uhr

Annabelle Seubert

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