Unterstützung für Autorinnen im Irak: „Die Werkstatt hat uns wieder Hoffnung und Lebensmut gegeben“
elbarlament veranstaltet mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes Schreibwerkstätten für irakische Frauen - und eröffnet damit berufliche Chancen
50 Kinder lachen und glucksen, hören gespannt die kleinen Geschichten, die ihnen die Frauen der Schreibwerkstatt zu Kinderliteratur vorlesen. Wir sind im Flüchtlingscamp nahe von Erbil, in dem die syrische Kinder einmal am Tag eine Schüssel Reis mit Beilage erhalten. Sehr selten gibt es Vergnügliches wie Theater oder einen solchen Vorleseabend. Die schreibenden Frauen kommen aus allen Regionen des Irak, aus Bagdad, Najaf, Diyala, Basra, Mossul, Hilla, Nasriyria, Babel, Dohuk und Erbil. Zusammen mit der Autorin Fatima Sharafeddine als Trainerin haben sie fünf Tage intensiv theoretisch und praktisch Kinderliteratur kennengelernt, geschrieben, vorgelesen, kritisiert, geübt, gelobt und gelacht. Entstanden sind viele kleine Geschichten für Kinder, die es – so Fatima - lohnt zu veröffentlichen.
Seit 2016 fördert das Auswärtige Amt die Schreibwerkstätten mit jeweils 18 – 25 Teilnehmerinnen im Irak. Es begann in Basra, dem früheren Venedig des Iraks, heute eine zerstörte Stadt, die von tribalen Strukturen und Korruption beherrscht wird. Frauen können im Süden des Iraks das Haus unbegleitet nicht verlassen. Ihre Gedichte, Erzählungen und Prosastücke sind widerständiges Aufbegehren gegen gewaltförmige Verhältnisse sei es in der Familie oder auf der Straße. Schreiben ermöglicht Selbstbewusstsein zu entwickeln.
Schon die Reise aus dem Süden nach Erbil ist ein Abenteuer
Für Frauen aus dem Süden des Irak sind Städte wie Erbil in Kurdistan auch Orte, wo sie Freiheit atmen, sich bewegen können. Schon die Reise dahin ist ein Abenteuer. Die jüngste schreibende Frau ist 18, eine Teilnehmerin ist Krankenschwester auf einer Kinderkrebsstation, andere sind Ärztinnen, Hausfrauen, Professorinnen, Ingenieurinnen oder Studentinnen, einige Frauen haben schon veröffentlicht andere fangen gerade erst an zu schreiben. Manches Mal eröffnet Schreiben auch berufliche Chancen sei es als Autorin, Journalistin oder durch zivilgesellschaftliches Engagement auf lokaler Ebene. Alle eint das Schreiben als „Rettung vor der Alltagskatastrophe“ wie der Schriftsteller Najem Wali meint.
Arabische und kurdische Frauen schaffen es ihre anfänglich getrennte Sitzordnung aufzuheben, trotz verschiedener religiöser Überzeugungen gemeinsam über Frieden, Gesellschaft, Familie, Liebe zu diskutieren, und literarisch zu arbeiten. Viele kommen mehrmals zu den Schreibwerkstätten mit immer neuen Themen. Über Facebook werden Texte ausgetauscht, beurteilt und gelobt. Teilnehmerinnen gründen Lesezirkel und ermutigen sich, mit lokalen Oberen um Räume in den clinch zu gehen. Einige nehmen an Schreibwettbewerben teil oder setzen – wie in Basra – eine Sektion für Frauen im männlich dominierten Schriftstellerverband durch.
Ganz anders gestalten die vor dem IS geflüchteten, vorwiegend jesidischen Frauen ihre Schreib- und Erzählwerkstatt. Sie leben in verschiedenen Flüchtlingscamps in der Nähe von Dohuk und kommen für die Schreibwerkstatt täglich ins community center einer kurdischen Frauenorganisation. Wo ansonsten Nähkurse stattfinden, erzählen jetzt die Frauen. Einige haben nie Schreiben und Lesen gelernt, alle sind schwer traumatisiert durch Kriegsereignisse, Flucht, IS-Gefangenschaft, den Tod naher Verwandter oder Familieninterna. Phantasieren, Fabulieren, freies Assoziieren und Fiktionalisieren hilft den Frauen ihre Geschichten zu entwickeln, sie agieren in lebhaften Rollenspielen, Malen und Kneten, entdecken so ihre kreativen Räume, wo sie erzählen und hören können, dass andere Ähnliches erlebten.
Die Frauen verlieren ihr Schamgefühl und dichten mutig aus den wie Schneebälle hin und her fliegenden Wörtern ihre Geschichten. „Was für ein großes Geschenk“ so eine der Teilnehmerinnen, die ihre Seele so selten fliegen lassen können, weil sonst im Lager alles dem bloßen Überleben gilt.
Die Autorin ist Geschäftsführerin von elbarlament – cultures of democracy
Weitere Artikel zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik lesen Sie auf unserer Themenseite.
Birgit Laubach
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