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Ruth Rosenfeld als Lady Madeline in "Usher".

© Martin Argyroglo

„Usher“ an der Staatsoper: Der kleine Horrorladen

An dieser Inszenierung stimmt einfach alles: Debussys Vertonung von Edgar Allen Poes „Der Untergang des Hauses Usher“ an der Berliner Staatsoper.

Ist das wirklich eine Opernaufführung, die hier im Alten Orchesterprobesaal der Staatsoper stattfindet? Oder vielleicht die Dreharbeiten zur Netflix-Serie „Fargo“? Das Bühnenbild sieht jedenfalls wie die Neuverfilmung eines Horrors aus: Ein amerikanisches Haus, darin ein Zwillingspaar, das Retro-Klamotten aus den achtziger Jahren trägt und aus einem Stephen-King-Roman entsprungen sein könnte. So weit hergeholt ist der Vergleich nicht, schließlich geht es um die Neuvertonung der Kurzgeschichte „Der Untergang des Hauses Usher“ von Edgar Allen Poe, umgesetzt von der 1975 geborenen Komponistin Annelies Van Parys. Claude Debussy hat sich bereits zwischen 1908 und 1917 an den Stoff gemacht und ist kläglich gescheitert: Seine Kurzoper „Usher“ ist Fragment geblieben.

Jetzt also ein neuer Versuch an der Staatsoper: Van Parys hat Debussys Partitur zur Grundlage genommen und sie eigens aufgepäppelt. Das Ergebnis ist erstaunlich: Die Geschichte um den Hausbesitzer Usher, der am Rand des Wahnsinns steht und seine Zwillingsschwester in seinen dunklen Gedankenstrudel hineinzieht, kommt düster und schauderhaft daher. Der Bassbariton David Oštrek zeigt Ushers Verzweiflung mit ganzer Stimmgewalt. Die Sopranistin Ruth Rosenfeld ist ihm eine ebenbürtige Schwester, die wehrlos die Übergriffe des Bruders über sich ergehen lässt. Bassbariton Martin Gerke spielt den Familienfreund, der angereist ist, um nach dem Rechten zu schauen, aber nichts verhindern kann. Und Bass Bariton Dominic Kraemer mimt den Arzt, der wie alle anderen den dunklen Energien des Hauses erliegt.

Furcht als Manipulationsmittel

An dieser Inszenierung stimmt einfach alles: Der Gesang, der klaustrophobische Klang des Orchesters, das düstere Bühnenbild sowie die Spezialeffekte wie etwa die vielen Rauchschwaden und Blitzlichtgewitter, die den Untergang des Hauses ankündigen. Die Geschichte zieht in den Bann, sodass man selbst darauf achten muss, nicht wahnsinnig zu werden. Diese Einfühlung ist gewollt. Denn Gaea Schoeters, die das Libretto neu übertragen und erweitert hat, zeigt Ushers grundlose Panik als tiefmodernes Phänomen. In den Libretto-Text hat sie Zitate von Trump und Mitgliedern der Alt-Right-Bewegung versteckt, um Furcht als effizientes Manipulationsmittel zu enttarnen. Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst, heißt es an einer Stelle, sondern deren Überwindung. Ein verstörender Appell an die Gegenwart.

wieder am 16., 19., 21.10.

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