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1941 geraubt, später restituiert und vom Museum zurückgekauft. Max Liebermanns „Garten am Wannsee“. Foto: Israel Museum

© Israel Museum

Israel forscht nach Raubkunst: Verschlungene Wege

Auch in Israel sucht man jetzt verstärkt nach Raubkunst und ermittelt Erben.

Die Suche nach Kunstobjekten, die im Dritten Reich von den Nationalsozialisten gestohlen wurden, fand bislang in etlichen Ländern statt, nicht aber in Israel. Neuerdings jedoch widmet sich das Land dieser schwierigen Aufgabe. Die staatliche Organisation HaShava mit Sitz in Petach Tikwa bei Tel Aviv will Raubkunst in Israels Museen und deren rechtmäßige Erben ausfindig machen und hatte Anfang Januar Vertreter der wichtigsten Museen in einer Konferenz um ihre Mithilfe gebeten. Die Museumsleute sollen geschult werden, um selber Provenienzforschung betreiben zu können. Hintergrund ist nicht zuletzt der Fall Gurlitt, bei dem Kulturstaatsministerin Monika Grütters kürzlich weitere Mittel für die Provenienzforschung in Deutschland in Aussicht gestellt hat.

Bei der Konferenz in Israel saßen auch Vertreter des dortigen Ministeriums für Kultur und Sport sowie des Justizministeriums mit am Tisch. HaShava hofft nun auf weitere finanzielle Unterstützung durch die Regierung in Tel Aviv. Denn vielen Museen in Israel mangelt es nicht an gutem Willen, sondern an Geld. Die Prinzipien des Washingtoner Abkommens sollen sogar per Gesetz verankert werden: Bei dem Washingtoner Abkommen von 1998 zu Vermögenswerten aus der Zeit des Holocaust wurde international der Wille bekundet, Raubkunst ausfindig zu machen und zu veröffentlichen und mit möglichen Erben eine faire und gerechte Rückgabelösung auszuhandeln.

HaShava widmet sich zusätzlich der Rückgabe von Judaika und Kunstgegenständen

„Wir können überhaupt nicht einschätzen, wie viele kulturelle Objekte, die von den Nazis geraubt wurden, sich in israelischen Museen befinden. Aber wir müssen es untersuchen, das ist unsere moralische Verpflichtung“, sagt die HaShava-Projektleiterin Elinor Kroitoru. Seit sieben Jahren kümmert sich ihre Organisation mit insgesamt 60 Mitarbeitern um die Rückerstattung von Kapital, Aktien und Immobilien an die Nachfahren von Holocaustopfern. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg hatten Juden in Israel Bankkonten eröffnet oder Immobilien gekauft. Nun widmet sich HaShava zusätzlich der Rückgabe von Judaika und Kunstgegenständen.

„Es ist wie ein Puzzle mit besonders vielen Teilen“, erklärt die Projektleiterin. „Wir wälzen Verkaufskataloge, versuchen alles über den Künstler herauszufinden, schauen uns das Kunstwerk genau an, ob es irgendwo eine Spur des ehemaligen Besitzers gibt, eine Nummer oder einen Namen auf der Rückseite.“ Die Erben von vier Kunstwerken aus dem Israel Museum hat die Organisation bereits ermittelt. Demnächst sollen die Werke zurückerstattet werden.

Die Suche ist keine leichte Aufgabe, sagt Martin Weyl, ehemaliger Direktor des Israel Museums. „Vor allem bei Judaika, die wohl einen Großteil der Raubkunst ausmachen. Spuren von früheren Besitzern oder Erben ausfindig zu machen, ist da kaum möglich.“ Einige Institutionen wie das Tel Aviv Museum of Art oder das „Haus der Ghettokämpfer“ im westlichen Galiläa geben zwar an, eigenen Recherchen zufolge keine Raubkunst im Haus zu haben, wollen aber mit HaShava kooperieren.

„Bislang dachte man, dass Israel als jüdischer Staat und israelische Museen die richtige Heimat für Kunstobjekte seien, deren Besitzer nicht gefunden werden konnten. Doch in letzter Zeit ändert sich diese Haltung, nicht zuletzt aufgrund des Gurlitt-Falls“, so Elinor Kroitoru. Auch in Israel machte der Schwabinger Kunstfund Furore. So wurden zwei israelische Expertinnen in die Gurlitt-Taskforce geholt, Shlomit Steinberg vom Israel Museum und Yehudit Shendar von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. „Als Teil der Taskforce kann Israel nicht Forderungen an Deutschland stellen, ohne die eigenen Sammlungen zu untersuchen“, erklärt Kroitoru.

Die Vermutung, dass Raubkunst in Israel zu finden sein könnte, kommt nicht von ungefähr. So lagern im Israel Museum zahlreiche Objekte, von denen man weiß, dass sie von den Nationalsozialisten geraubt wurden. Nach Kriegsende kümmerten sich Kunstexperten im Auftrag der Alliierten um geraubte Schätze, trugen ihre Funde an Sammelpunkten in Deutschland zusammen und gaben sie an Museen, Synagogen oder frühere Eigentümer zurück. Mehr als tausend Kunstgegenstände, deren Erben nicht gefunden werden konnten, gingen dann zunächst an die Jüdische Restitutionsnachfolger-Organisation JRSO. Von dort gelangten sie in das Bezalel National Museum, den Vorläufer des heutigen Israel Museum in Jerusalem.

Liebermanns "Garten im Wannsee" wurde vom Israel Museum restituiert

„Das Israel Museum kümmert sich seit langem um die Rückgabe von Kunst, die im Zweiten Weltkrieg verloren ging“, sagt Museumsdirektor James Snyder. So hat das Haus seit der Washingtoner Konferenz immer wieder Bilder restituiert, darunter „Garten am Wannsee“ von Max Liebermann oder Camille Pissarros „Boulevard Montmartre“. Das 1941 geraubte Liebermann-Gemälde ging aus Jerusalem an die Erben von Max Cassirer zurück, der aus einer berühmten deutschen Kunsthändlerfamilie stammte.

Mit Hilfe einer alten Fotografie, die Cassirers Wohnung mit dem Bild an der Wand zeigt, konnte die Historikerin Marina Blumberg das Werk identifizieren. Die Berliner Kanzlei von Trott zu Solz Lammek übernahm alles Weitere. Dennoch befindet sich Liebermanns „Garten am Wannsee“ inzwischen wieder im Israel Museum, denn nur wenige Monate nach der Restitution konnte das Haus das Gemälde von den Erben zurückerwerben – ein unkomplizierter Prozess, wie es heißt. Dieses Procedere ist aus vielen deutschen Museen bekannt, wo restituierte Kunst der Institution, in der sie sich einst befand, zum Kauf angeboten wird.

Darüber hinaus bemüht sich das Israel Museum um intensive Öffentlichkeitsarbeit. Das Thema Raubkunst stand im Mittelpunkt gleich zweier Ausstellungen, in der Hoffnung, auf diese Weise mögliche Erben auf Familienbesitz aufmerksam zu machen. 2007 wurde ein Onlinekatalog mit den Kunstwerken veröffentlicht, die damals an das Bezalel National Museum gingen, darunter rund 250 Gemälde, 250 Papierarbeiten und 700 Judaika.

„Wir sind davon überzeugt, dass wir als Museum eine führende Rolle hier in Israel spielen sollten“, so Snyder. Doch die Werke, die nach Kriegsende mit Hilfe der JRSO nach Israel kamen, stehen nicht allein im Zentrum der Forschungsarbeit von HaShava. „Die große Aufgabe besteht nun darin, dass wir die Sammlungen der anderen Museen untersuchen, um möglicherweise Raubkunst zu entdecken, von der wir nichts wussten“, erklärt HaShava-Chefin Kroitoru. „Kunstwerke, die als gut gemeinte Schenkungen nach Israel kamen, ohne dass die Geber um ihre Provenienz wussten.“

Viel Zeit bleibt der Organisation dafür nicht mehr. Ende 2017 wird die staatliche Institution aufgelöst. Bis dahin wollen Elinor Kroitoru und ihr Team so viel Raubkunst wie möglich an die rechtmäßigen Erben übergeben haben.

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