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Kultur: Verzögerungstaktik

Wieviele Enden hat eine Sackgasse? Der israelische Soziologe und Historiker Moshe Zuckermann zählt nie weiter als bis zwei, wenn er über die Mahnmal-Debatte spricht, aber er muß mehrmals bei eins anfangen.

Wieviele Enden hat eine Sackgasse? Der israelische Soziologe und Historiker Moshe Zuckermann zählt nie weiter als bis zwei, wenn er über die Mahnmal-Debatte spricht, aber er muß mehrmals bei eins anfangen.Unlösbar die Frage der ästhetischen Form, verfehlt die schlichte Schrödersche Alternative, überflüssig das Naumann-Eisenmansche Informationszentrum.Zuckermann, derzeit Fellow am Berliner Wissenschaftskolleg, attestiert den Deutschen eine Gedenkkultur, "die sich sehen lassen kann, die bewunderungswürdig ist".Hinter dem Ringen um das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas vermutet er letztlich nichts als guten Willen."Aber objektiv sieht es nach einer Verzögerungstaktik aus", sagte er jetzt in Oranienburg, als Vortragsgast bei der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten.

Schon der Streit um die ästhetische Form des Mahnmals, so Zuckermann, führe in eine Sackgasse.Das Gedenken erhebe immer den Anspruch auf langfristige Geltung, der Idealfall sei "ewiges Gedenken".Jede ästhetische Form jedoch sei dem Zeitlichen anheim gegeben.In der Ästhetik der abstrakten Moderne der Nachkriegszeit gestaltete Gedenkorte erschienen uns heute ebenso unzeitgemäß wie die des 19.Jahrhunderts, sofern es sich nicht um neutrale Formen wie Monolithen oder Obelisken handele.Auch der Vorschlag Richard Schröders für ein schlichtes Mahnmal mit der Aufschrift "Du sollst nicht morden!" ist für Zuckermann Teil dieser - wohl unbewußten - Verzögerungstaktik.Das "hebräische Logo" wende sich (trotz mehrsprachiger Übersetzungen) an die Juden und transportiere nichts vom Wesen des Holocaust."Die unerträgliche Leichtigkeit, mit der Politiker aller Couleur diesen Vorschlag guthießen" steht für Zuckermann für die Aufweichung der Debatte.

Kultur-Staatsminister Michael Naumann streitet weiter für den Eisenman-Entwurf, nicht aber ohne ihn noch einmal zu erweitern.Er ist mit der These angetreten, die ästhetische Form allein reiche nicht aus für das Holocaustgedenken, und regte Peter Eisenman zum Entwurf eines Informationszentrums mit Bibliothek an.Angesichts der bereits vorhanden Berliner und Brandenburger Gedenkstätten habe dies "objektiv den Charakter der fremdbestimmten Modifikation.Der neue Herr muß sich beweisen", sagt Zuckermann.Folgerichtig bezweifelt der Historiker auch den vielbeschworenen "parteienübergreifenden Konsens" zum Mahnmal in Berlin.Es ginge im Grunde genommen doch um einen Parteienkampf, wie die bevorstehende Einigung Naumanns mit der Initiatorin Lea Rosh auf ein Stelenfeld mit nur noch unterirdischen Museumsräumen zeige.

Als "hanebüchen" empfindet Zuckermann das Argument, "das eigentliche Gedenken sei die Debatte".So verdingliche sich die Debatte, sie erhalte einen "Fetischcharakter".Mit dem Objekt des Gedenkens, den Opfern der massenhaften Judenvernichtung, habe die Debatte jedoch nichts zu tun.Gar nicht zu bauen, würde sich indes auch als Sackgasse erweisen.Eine Entscheidung gegen ein Mahnmal "kann man sich heute in Deutschland nicht mehr leisten".Zuckermann deutete an, daß auch er noch "andere Ideen zur Mahnmalform" hätte.Aber trotz Nachfrage vermied er eine Aussage dazu.Womöglich könnte sie jemand aufgreifen und als Ausweg aus der Sackgasse in die Debatten werfen.

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