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Wladimir Kaminer tritt seit 2009 an Heiligabend am Rosa-Luxemburg-Platz auf.

© IMAGO/teutopress

Volksbühne: Heiligabend mit Wladimir Kaminer

Die einen gehen am 24. 12. in die Christmette, die anderen ziehen Wladimir Kaminers Lesung in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz vor.

Man soll ja das verschenken, was mal selbst gerne hätte. Also machte mir meine Frau das Präsent, an Heiligabend um 21 Uhr zu Wladimir Kaminer in die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz zu gehen. In ihrer Begleitung natürlich, denn sie ist Fan des liebenswerten Kolumnisten und Menschheitsbeobachters.

Ich war in festtäglich milder Stimmung, darum widersprach ich nicht. Auch wenn ich am 24.12. ja eigentlich traditionell zur Christmette… Andererseits ist die Lesung des russischen Wahlberliners längst auch eine Weihnachtsinstitution, begründet 2009. Und ich staunte nicht schlecht, dass mindestens 500 Menschen gekommen waren, darunter auch die komplette Familie des Autors.

Alles dreht sich um Mutter

Nur seine 91-jährige Mutter fehlte, aber war dennoch präsent, als Protagonistin des jüngsten Kaminer-Buches nämlich, in dem es darum geht, wie die alte Dame versucht, mit den Entwicklungen im woken Berlin mitzuhalten. Als charmanter Gastgeber liest ihr Sohn jedoch nicht nur verkaufsfördernd Passagen vor, sondern plaudert angeregt ins Publikum, extemporiert, hat hier eine Schnurre aus der Provinz auf Lager und dort eine aktuelle Anekdote.

Kurzweilig ist das, erheiternd in bedrückenden Zeiten, wenn es um Tante Inge geht, die Pflanzenflüsterin, oder um den afghanischen Kosmonauten, der eigentlich Taxifahrer war, um Saumagen-Carpaccio mit Hirn-Vinaigrette oder die langwierige Suche nach Heino, den Kaminer unbedingt für eine 3Sat-Doku interviewen soll – und den er schlussendlich im saarländischen Neunkirchen auftreibt, Erich Honeckers Geburtsort.  

Köstlich sind Kaminers Gedanken zum deutschen Wort „Tanzlustbarkeiten“, zu tausendjährigem Himalaya-Salz, das im Biosupermarkt dennoch ein Verfallsdatum hat, oder auch zur angeborenen Unfreundlichkeit der Ostsee-Bewohner, die man als immaterielles Weltkulturerbe anerkennen sollte, so wie die österreichische Marille. Gut ausgestattet mit chinesischen Weisheiten, die seine Mutter im Internet aufgeschnappt, entlässt Wladimir Kaminer sein Publikum schließlich in die Heilige Nacht.

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