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Von TISCH zu TISCH: Great Room

Steak-Lollipops und Jamaika-Hühnchen

Uh. Was jetzt? Kann man dieses Restaurant empfehlen? Vermutlich war ich zu früh da, habe dem „Great Room“ nicht die Chance gegeben, sich erstmal zu sortieren. Aber die Küche ist gut, und ich hoffe, dass demnächst ein anständiges Restaurant draus wird, in das man auch mit offenen Augen gehen kann. Im Grunde ist das unscheinbare Ding in der unscheinbarsten Ecke Moabits eher eine Art Kantine; dort wird den Mitarbeitern der umliegenden Betriebe schon länger preisgünstiger Mittagstisch angeboten. Dass nun an vorerst drei Wochentagen auch abends gekocht wird, ist wohl ein Versuch; es dürfte wohl kaum ein Zufallsgast auf die Idee kommen, hier im Erdgeschoss eines Bürohauses überhaupt ein Restaurant zu vermuten.

Drinnen sieht es nicht viel besser aus: Der große hallenförmige Saal wird von einer großen Theke dominiert, die Tische stehen überwiegend auf einer erhöhten Galerie – und verbreiten Trauer. In den Vasen siechen Fresien dahin, die Papierservietten zeigen Großmutters Veilchenmotive, die Bistrostühlchen drücken. Auch das unaufgeräumte Entrée mit einer Langnese-Eistafel ist fürchterlich, und das Angebot von insgesamt vier Weinen, zwei weiß, zwei rot, dürfte jeden Feinschmecker in tiefe Depression stürzen. Nur die coole Musik tröstet, und die Speisekarte weckt Erwartungen, die alsbald eingelöst werden.

Dann nämlich kommt aus der Küche ein Teller, nein, eine Schieferplatte mit einem in Tempurateig eingebackenen Stück Lachs mit einem Salat aus Mais, grünen Bohnen, Enoki-Pilzen und einem Limetten-Chili-Dip von dem ich mal einfach behaupte, dass er die beste Vorspeise ist, die es in Berlin für 7 Euro zu kaufen gibt, präzise saftig gegart, toll gewürzt, attraktiv angerichtet. Es ist nämlich so, dass der Küchenchef zwar offenbar kaum Einfluss auf die Gestaltung des Restaurants hat, aber gut kochen kann.

Es handelt sich um Oliver Lorenz, der mal Souschef von Mario Lohninger im New Yorker „Danube“ war, Lohninger dann ins Frankfurter „Silk“ folgte und schließlich Chef im glücklosen „Zarges“-Bistro ebenfalls in Frankfurt wurde.

So einer will kochen, und das ist vermutlich der Grund, weshalb er mit dem „Great Room“ nun aus der Anonymität des Catering- und Kantinengeschäfts herausgeht. Die Küchenrichtung des Abendprogramms lässt sich vage als moderne amerikanische Fusionsküche bezeichnen, also als Mixtur aus Barbecue, asiatischen Elementen und Klassikern wie Caesar’s Salad und Wiener Schnitzel.

Die Steak-„Lollipops“, ein Silk-Klassiker, sind eine weitere witzige Vorspeise: Das Fleisch wird um Zitronengrasspieße gewickelt und mit Salat aus grünen Papayas und Hoisin-Sauce serviert, für 6 Euro. Derbes, hinreißend würziges Grillaroma verbreitet das jamaikanische „Jerked Chicken“, eine saftige Hähnchenbrust mit heftig angegrillten Süßkartoffeln, Ahornsirup und einem hübsch säuerlichen Rotkrautsalat (14 Euro), etwas sanfter gibt sich der Red Snapper mit Mandarinen-Curry-Sauce, schwarzem Bohnenpüree, Pak Choi und karibischer Salsa, eine unbekümmerte, leicht chaotische, köstliche Weltversammlung für 18 Euro. Auf der Karte stehen auch Burger und Pizza, die ich nicht probiert habe; nach dem Vorangegangenen habe ich wenig Zweifel daran, dass Lorenz auch das in guter Qualität hinbekommt. Zum Dessert bestellten wir New York Cheesecake und frisch gebackenen Chocolate-Chip-Cookie mit Müslikrokant, für den sinngemäß gilt, was ich über den Tempura-Lachs geschrieben habe.

So. Was also? Der Charme dieser bunten Küche, die rücksichtslos an niederste Appetit-Instinkte appelliert, wird kaum einen anspruchsvollen Esser kalt lassen. Mir liegt deshalb daran, dass aus dem „Great Room“ ein großartiges Restaurant wird, und deshalb appelliere ich hier dringend, hinzugehen. Möglicherweise kriegen sie ja, wenn wir alle einer Meinung sind, auch noch die Äußerlichkeiten hin.

The Great Room, Kaiserin-Augusta-Allee 10-11, Moabit, Tel. 339 887 6970.
Abendkarte Do-Fr ab 18, Sa ab 19 Uhr.

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