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Lass’ es sein. „Let it be“ war im Mai 1970 das letzte Album der Beatles.

© wikipedia

Vor 50 Jahren lösten sich die Beatles auf: Vom eigenen Genie überholt

Die Beatles hatten alles erprobt, alles erfunden, alles erreicht. Als sie sich trennten, ging eine Ära zuende.

Ein Einschnitt war es, gewiss. Zehn Jahre lang hatten die Beatles bestanden und die letzten sechs oder sieben Jahre davon definiert, was Pop-Musik war. Und nun gaben sie ihre Auflösung bekannt. Die Nachricht, das darf man behaupten, ging um den ganzen Erdball.

Es war ein Einschnitt, aber zu diesem Zeitpunkt des 10. April 1970 – wenn sich der Autor dieser Zeilen recht erinnert – kein wirklicher Schock mehr. Denn seit Monaten, ja beinahe schon seit zwei Jahren gärte die Gerüchteküche, lag die Selbstauflösung dieser Viererbande in der Luft. Die lange Zeit als „Fab Four“ etikettierten vier aus Liverpool waren zuletzt immer weniger eine verschworene Gemeinschaft gewesen. Stattdessen trieben die kreativen Egos zumindest dreier Mitglieder weiter und weiter auseinander. John Lennon, Paul McCartney und George Harrison strebten nach je eigenen künstlerischen Ufern, und nur der vierte im Bunde, Schlagzeuger Ringo Starr, blieb ein wenig zurück.

Die Rolling Stones waren längst eine Alternative zu den Beatles

Auflösungen und Neugründungen waren in diesen Monaten an der Tagesordnung. Die Rolling Stones hatten sich als härtere, rockigere Alternative zu den Beatles etabliert und bewegten sich auf dem Höhenkamm ihrer musikalischen Kreativität. Es war überhaupt die Ära der „Supergroups“, auf Cream folgte Blind Faith, Led Zeppelin war bereits mit Urgewalt hervorgebrochen, und Pink Floyd wuchs zur Zentralgröße psychedelischer Lebensgestaltung. Im Jahr zuvor, 1969, hatte Woodstock stattgefunden und wurde mit dem Image des „alternativen Festivals“ in einer Weise vermarktet, die die Käufer des kurz nach dem Beatles- Aus veröffentlichten Woodstock-Dreifach-Albums nicht bemerken wollten. Die Beatles waren irgendwie vorbei.

Vorbei vielleicht, was das aktuelle Geschehen betraf; aber zugleich präsent als Überväter des Pop. Sie hatten alles ausprobiert, fast alles neu erfunden, sie hatten die Pop-Musik, die sie mit ihrem „Yeah, yeah, yeah“ selbst begründet hatten, binnen weniger Jahre auf nicht nur ein neues Niveau, sondern deren mehrere gehoben. Sie hatten alles erreicht – und sich dabei selbst überholt.

Das Publikum machte jede Wandlung der Fab Four mit

Als Erstes stellten sie die Live-Auftritte ein, weil die nicht mehr wiedergeben konnten, was sie im Studio ertüftelten. Sie produzierten Musikvideos, bevor es sie als Begriff überhaupt gab, sie spielten live im Fernsehen vor 400 Millionen Zuschauern in mehreren Ländern, sie machten Filme, regelrechte Gesamtkunstwerke wie die surreale „Magical Mystery Tour“ (zwei konventionelle, aber höchst amüsante Spielfilme hatten sie da schon hinter sich). Und zugleich hielten sie regelmäßig den obersten Spitzenplatz in den Charts besetzt, mit jeder Single, jedem ihrer 12 Studio-Alben. Keine Band war darin je erfolgreicher, und das heißt eben auch, dass das Publikum mit ihren musikalischen Wandlungen mitging.

Welchen Verlust die Auflösung der Band vor 50 Jahren bedeutete, trat erst allmählich zutage. Etwas wie die Beatles gab es seither nicht wieder. Von ihren Einfällen, ihrem Wagemut zehren wir bis heute. Oder nein: Die Zeit ist weit dahinter zurückgefallen. Man darf wohl behaupten, dass die Meisterwerke ihrer Reifezeit nicht gealtert sind und so wenig altern können wie das Beste der klassischen Musik.

Die allergrößten ihrer riesengroßen kommerziellen Erfolge, gemessen an der Zahl der Plattenverkäufe, hatten die Beatles übrigens lange nach ihrer Auflösung. Warum wohl? Es gab Bedarf. Es gibt ihn immer noch.

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