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Frauen vor!: Warum eine Quote im Ausstellungsbetrieb sinnvoll ist

Die Studie "Pyramid or Pillars" zeigt, dass dort, wo Frauen über Wettbewerbe mitentscheiden, Künstlerinnen mehr Preise und Stipendien gewinnen. Eine Garantie dafür, dass Museumsdirektorinnen mehr Künstlerinnen zeigen, ist das freilich nicht.

Und wieder hat der Hamburger Bahnhof einen Coup gelandet. Mit Bruce Nauman präsentiert Udo Kittelmann, der Direktor der Berliner Nationalgalerie, seit Ende Mai einen Superstar des westlichen Kunstbetriebs. Kurz darauf folgten vier afrikanische Künstler und eine Künstlerin, die mit ihren Installation an mehreren Orten der Nationalgalerie europäische Geschichte aus postkolonialer Perspektive spiegeln, und am gestrigen Donnerstag öffnete sich die Alte Nationalgalerie auch für die 6. Berlin Biennale. So geht es Schlag auf Schlag, seit Kittelmann vor anderthalb Jahren sein Amt antrat. Kräftige Kontraste, überraschende Vielfalt: Damit glänzt nun die Nationalgalerie, nachdem sie lange Zeit wenig Profil gezeigt hatte.

In der Neuen Nationalgalerie haben die Bestände aus Ost und West zusammengefunden, im Hamburger Bahnhof hat der neue Direktor die bisher tabuisierte Verbindung von privaten und öffentlichen Sammlungen zum Tanzen gebracht. Sein Programm von Thomas Demand über Walton Ford bis zu Carsten Höller im Herbst zeigt jedoch eine eklatante Lücke: Es kennt kaum Künstlerinnen. Das einzige prominent präsentierte Werk einer Frau bleibt das von Louise Bourgeois, deren Arbeiten zusammen mit denen von Hans Bellmer in der Charlottenburger Sammlung ScharfGerstenberg zu sehen sind. Ausgerechnet Bourgeois, die mit 98 Jahren jüngst verstorbene Bildhauerin, bildet die Ausnahme. Dabei waren Soloschauen von Jenny Holzer, Hanne Darboven, Ayse Erkmen, Ulrike Grossarth oder Shirin Neshat einst selbstverständlich.

Nun ist die Quote in Kunstkreisen nicht gern gesehen. Niemand bestreitet, dass Künstlerinnen museumstaugliche Werke produzieren. Ihr Fehlen hierzulande fällt auf, umso mehr als das Pariser Musée National d’Art Moderne gerade mit 500 Exponaten von Künstlerinnen die jüngere Kunstgeschichte neu zu schreiben versucht. Das Museum of Modern Art in New York stellte zeitgleich Marina Abramovic, Yin Xiuzhen, Lee Bontecou und die Fotoschau „Pictures by Women“ aus.

„Ich mache keinen Unterschied zwischen Künstlern und Künstlerinnen“, sagt Kittelmann, „entscheidend ist das Werk.“ Der Direktor denkt in Projekten: Soloausstellungen sollen an aktuelle Debatten und die Sammlung anknüpfen wie Thomas Demands Fotos zu bundesdeutschen Mythen. Sollte sich da keine Künstlerin gefunden haben? Im Hamburger Bahnhof sieht es nicht anders aus: Auf der Liste von Kittelmanns großer Einstandsschau im Februar fanden sich unter 77 Teilnehmern gerade fünf Künstlerinnen. Zu wenig für ein Museum der Gegenwart, ist doch die Zahl der Künstlerinnen in den letzten 30 Jahren kontinuierlich gestiegen. In Österreich, Deutschland, Finnland und den Niederlanden waren bereits in den 90er Jahren knapp die Hälfte aller bildenden Künstler Frauen. An der Universität der Künste Berlin stellen sie zwei Drittel der Absolventen.

Doch dabei zu sein, ist nicht alles. Monografische Museumsausstellungen sind für Künstlerkarrieren unverzichtbar. Das Bonner European Institut for Comperative Cultural Research präsentierte in „Pyramid or Pillars“, einer länderübergreifenden Studie zum Status von Frauen in Kulturberufen, dass es in der Kunst ähnlich zugeht wie anderswo: Frauen in Führungspositionen sind rar. Den breiten Sockel in Deutschland bilden die Studentinnen mit 55 Prozent, an der Spitze der Pyramide, bei Professuren und in der Bundeskunstsammlung, schrumpft der Anteil von Künstlerinnen auf 18 bis 13 Prozent.

Die Ungleichheit hat Methode. Robert Fleck, Direktor der Bundeskunsthalle in Bonn, zeigte in seiner Zeit als Chef der Hamburger Deichtorhallen nur zwei Soloshows von Fotografinnen. „Künstlerinnen sind vorsichtiger mit Zusagen“, so seine Begründung. „Drei, vier Ausstellungen gleichzeitig in der Welt, das gibt es bei Frauen nicht. Sie sagen öfter: Ich will jetzt arbeiten, sprechen wir in zwei Jahren erneut darüber! Das hat sein Gutes.“

Museen funktionieren meist anders. Sie wollen viele Besucher und setzen daher auf immer die gleichen großen Namen, sagt die Kunsthistorikerin Anne-Marie Bonnet. „Museumsleiter wollen ihre eigene Karriere weitertreiben“, meint wiederum Ingrid Scheller, Präsidentin des Künstlerinnenverbands Gedok. „Sie stellen vor allem anerkannte Künstler aus, mit denen sie sich schmücken können.“

Dass sich Männer in Spitzenpositionen gern mit Werken männlicher Künstlerstars zieren, demonstriert die Ausstellung „Macht zeigen“ im Deutschen Historischen Museum. „Alphatiere suchen sich Alphatiere“, erklärt Kurator Wolfgang Ullrich. Auch über Privatsammlungen, mit denen die Museen vermehrt kooperieren, gelangt diese Alphatierkunst in die öffentlichen Häuser.

Ein sich selbst erhaltendes System? Die Studie „Pyramid or Pillars“ zeigt, dass dort, wo Frauen über Wettbewerbe mitentscheiden, Künstlerinnen mehr Preise und Stipendien gewinnen. Eine Garantie dafür, dass Museumsdirektorinnen mehr Künstlerinnen zeigen, ist das freilich nicht. „Eine Lösung kann es sein, Künstlerinnen mehr Zeit zu lassen, ihre Ausstellungen vorzubereiten“, empfiehlt Bonnet. „Die Direktoren müssen sich vornehmen: 40 Prozent Frauen in den Museen!“ Und Robert Fleck rät: „Druck aufbauen“.

Udo Kittelmann bereitet für 2011 seine erste Berliner Einzelausstellung einer Künstlerin in der Neuen Nationalgalerie vor. Um wen es sich handelt, will er erst sagen, wenn er weiß, dass nichts mehr dazwischen kommt.

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