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Kultur: Was Bestand hat

Gedächtnis der Kunst: Das Zentralarchiv der Staatlichen Museen Berlin ist 50 Jahre alt

Erst gab’s Gelächter, dann Nachdenken. „Ich wäre sehr gerne mit bei der Aufteilung des Louvre“, hatte der Dresdner Museumsdirektor Hans Posse 1914 an den eine Generation älteren Berliner Kollegen Wilhelm von Bode geschrieben. Posse, ein ausgewiesener Kunsthistoriker, wurde später zum Chefeinkäufer für Adolf Hitlers geplantes „Führermuseum“ im österreichischen Linz, und da rückte die Möglichkeit einer „Aufteilung des Louvre“ in ganz reale Nähe.

Die Korrespondenz zwischen dem Berliner Museums-„General“ Bode und seinem Schüler und späteren Partner Posse, aus der der Direktor der Dresdner Galerie Alte Meister, Bernhard Maaz, am Montagabend in der Alten Nationalgalerie arglos vortrug, steckt voller Widerhaken. 1918, zum Beispiel, machte man sich Gedanken, wie wohl die deutschen Revolutionäre mit Museumsdirektoren umzugehen gedächten. In Petersburg, beschwichtigt Posse, hätten die Bolschewiki die Direktoren im Amt belassen – immerhin „alles deutsch-baltische Barone“.

Die Korrespondenz der beiden gehört zu den Schätzen, die im Zentralarchiv der Staatlichen Museen Berlin zu heben sind. Kaum zu glauben, dass das Archiv gerade einmal 50 Jahre alt ist, angesichts von 180 Jahren Berliner Museumsgeschichte. Und erst seit der Wiedervereinigung der Staatlichen Museen hat das Archiv angemessene Arbeitsbedingungen – und erwartet den Umzug in die Museumshöfe schräg gegenüber von der „Insel“ im Jahr 2012, wo alles noch besser werden soll.

Die Anfänge des Archivs waren bescheiden. Am 5. Oktober 1960 beschlossen die Museen-Ost: „Mit der Einrichtung eines zentralen Archivs der Staatlichen Museen wurde Frau Stibinger beauftragt.“ Liselotte Stibinger, wiewohl mit einigen Semestern Studium versehen, arbeitete als „Transportarbeiterin“ auf der Museumsinsel und fand dabei in Kellern und Kammern haufenweise Akten. Gegen welche Hindernisse sie anzukämpfen hatte, ist eindrucksvoll in der Jubiläumsfestschrift „Kunst recherchieren“ nachzulesen. Heute ist das Archiv, das die Bestände der Museen, das gesonderte Archiv der Nationalgalerie sowie die gleichfalls verstreuten Bauakten vereint, gar nicht mehr wegzudenken. Allein die in den vergangenen Jahren so notwendig gewordene Provenienzrecherche bedarf der Unterlagen, ebenso die Bautätigkeit, die sich – Beispiel Neues Museum – in jahrelanger Kleinarbeit erst einmal Kenntnis über die jeweilige Baugeschichte verschaffen musste.

„Es gibt keine anderen Museen weltweit, die über ein vergleichbar hervorragendes Archiv ihrer Bestände verfügen“, rühmte der jetzige Bode-Nachnachnachfolger Michael Eissenhauer das „ZA“. Und: Das Archiv ist „für jeden zugänglich, der zu unseren Beständen forschen will“. Da gibt es „ unzählige weiße Flecken“.

Der seit 1992 amtierende Leiter des ZA, Jörn Grabowski, erntete mit seiner vehementen Verneinung des gängigen Klischees über Archivare, sie seien „ergraut oder vergilbt“, im Marées-Saal der Alten Nationalgalerie Beifall. Die Schmankerln, die er aus den Archivalien zitierte – wie beispielsweise die Korrespondenz über die Verköstigung der Männer beim Transport einer Stalin-Statue mit „je einer Flasche Bier“ 1951 –, ließen die Kuriositäten erahnen, die man in dem Archiv finden kann. Bernhard Maaz allerdings ließ seine Zuhörer ein weiteres Mal schlucken. Er zitierte den alten, verbitterten Bode, der sich 1927 gegen einen von Posse vorgeschlagenen Florenz-Stipendiaten wandte. Der Noch-„General“ schrieb angewidert von Juden als „präpotenten Semiten“. Viel musste offenbar nicht geschehen, um die Museen wenige Jahre später mit dem NS-Regime „gleichzuschalten“. Bernhard Schulz

Jörn Grabowski, Petra Winter (Hrsg.): Kunst recherchieren. 50 Jahre Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin. Deutscher Kunstverlag, Berlin 2010, 196 Seiten, 29,90 €.

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