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Kultur: Was ist deutsch?

Liam Gillicks Pläne für die Biennale Venedig

Dass es nicht einfach werden würde, war von Anfang an klar. Gleich nach der Berufung von Liam Gillick für den deutschen Pavillon auf der Biennale di Venezia wurden erste Verstörungen laut. Ein Künstler mit britischem Pass, der nicht wenigstens ein bisschen im Lande lebt wie zumindest der Koreaner Nam June Paik, der 1993 mit Hans Haacke den nationalen Kunsttempel bespielte – geht denn das? Geschenkt. Im Zeitalter der Globalisierung, in dem Künstler als moderne Nomaden ihren Arbeitsplatz und Ausstellungen überall auf der Welt haben, gilt eine solch rückwärtsgewandte Sicht nicht mehr. Die Zeiten des Wettbewerbs in den Giardini sind längst vorüber, auch wenn es noch immer traditionell einen Sieger und als Preis den Goldenen Löwen gibt.

Welche Tücken die Wahl des Kurators Nicolaus Schafhausen birgt, zeigt sich erst auf den zweiten Blick, bei der Betrachtung von Liam Gillicks Werk. Seine designerisch ausgetüftelten Installationen aus farbigen Paravents und Texttafeln beschäftigen sich mit dem Wandel gesellschaftlicher Modelle, gescheiterten sozialen Utopien. Dem Besucher des deutschen Pavillons wird der hochintellektuelle Künstler manche Nuss zu knacken geben. Das erwies sich auch bei seinem Vortrag im Hamburger Bahnhof, zu dem ein Riesenpublikum gepilgert war – in der Hoffnung auf konkrete Angaben für Venedig, eine erste Präsentation.

Stattdessen lieferte Liam Gillick eine tour d’horizon seines Denkens, die sich fern der Gegebenheiten in den Giardini hielt, gleichwohl auf seine Gestaltung der 1939 erbauten, noch immer die faschistische Vergangenheit in sich bergende Ausstellungsarchitektur neugierig machte. Er versuche Strukturen neu zu denken, erklärte der 44-jährige Brite, die Chancen und das Scheitern der Moderne zu verstehen, jene Punkte, wo sie sich mit Modernismus, der Postmoderne trifft. „Ich habe mich immer eher für Anni Albers als für Josef Albers interessiert“, fasste er seine Position zusammen, die Vorliebe für das Angewandte.

Seine ersten Recherchen zum deutschen Pavillon führten ihn deshalb schnell zu einem von documenta-Gründer Arnold Bode 1957 eingereichten Umbauvorschlag für die aus der Vorkriegszeit übernommene Architektur: ein klassischer Fünfziger-Jahre-Bau, ein white cube reinster Form, der nie verwirklicht wurde. Liam Gillick hat ihn als Modell nachgebaut, doch nicht für seine Präsentation im deutschen Pavillon, wie Eingeweihte schon wissen wollen, sondern als Miniaturausgabe in 25er-Auflage, als käufliche Edition zur Finanzierung des Begleitprogramms in Venedig. Was er tatsächlich zeigen wird, verriet der Künstler mit keinem Wort. Der geschickte Konstrukteur sogenannter Was-wäre-wenn- Szenarios in seinen Installationen ließ damit auch seine Zuhörer im Ungewissen. Geschickt pflanzte er damit erneut das utopische Denken in die Köpfe seines Publikums. Anfang Juni, mit Beginn der Biennale in Venedig, wird man es dann richtig sehen. Nicola Kuhn

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