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Was machen wir heute?: Als Botschafter versagen

Ja, wir haben Deutschlands Ansehen geschadet. Drei Wochen lang waren die Austauschschülerinnen Almudena und Sofia aus Mexiko bei uns; besonders morgens erinnerte das ein wenig an Jugendherberge, mit Wünschen nach Tee, Kakao oder Saft.

Ja, wir haben Deutschlands Ansehen geschadet. Drei Wochen lang waren die Austauschschülerinnen Almudena und Sofia aus Mexiko bei uns; besonders morgens erinnerte das ein wenig an Jugendherberge, mit Wünschen nach Tee, Kakao oder Saft. Der Vater fragt sich, warum es einen Spanischaustausch nun ausgerechnet mit dem fernen Mexiko geben muss. Der Nachbar stöhnt ebenfalls. Die Austauschschülerin seiner Tochter kam aus dem französischen La Réunion, fern in der Karibik gelegen. Hätte es nicht Paris getan, fragt der Nachbar, dessen Tochter kürzlich zum teuren Gegenbesuch aufbrach. Paris oder Madrid, pah, viel zu langweilig, da muss was Exotisches her – so stellt sich der Vater vor, was im Kopf von Sprachlehrern vorgeht.

Der Vater hat ein ganz schlechtes Gewissen. Man ist schließlich so was wie ein Botschafter der Nation. Er erinnert sich an Tochter Laras spanische Austauschschülerin. Immerfort drängten wir sie erfolglos, etwas zu essen. Hinterher beklagte sie, nahezu verhungert zu sein bei uns. Und Lara war sauer, weil wir nicht einsahen, dass die in Emilias Heimat gepflegte Tradition, auch unter der Woche bis spät nachts zu feiern, nicht hier gelten sollte. Das sei keine Gastfreundschaft!

Almudena und Sofia werden erzählen, dass diese seltsamen Eltern nichts als Fußball im Kopf hatten, jeden Abend irgendwo EM schauten, die Kinder in der Pause mit Bratwurst verpflegten und ansonsten vernachlässigten. Wenn sie mal zu Haus waren, lief der Fernseher. „Wirklich, wir schauen sonst nie beim Essen, aber dieses Spiel ...“, sagte die Mutter. Das glauben die Mexikaner garantiert. Tochter Franca nutzte die Gelegenheit, dem Vater viel Geld für den Besuch des deutsch-französischen Volksfestes abzuknöpfen. Und auf die Gokartbahn zu gehen. Das hätte der Vater nie erlaubt. Aber die Gäste wollten so gerne. „Ich bin mit Tempo 90 in den Reifenstapel gefahren“, erzählt die 15-jährige Franca hinterher strahlend. Den Vater graust es. Wie peinlich. In Mexiko dürfen wir uns nie sehen lassen. Gerd Nowakowski

Informationen zum Schüleraustausch: http: // www.berlin.de/sen/bildung/besondere_angebote/schuelerfahrten_und_austausch/

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