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Was machen wir heute?: Die Vergangenheit aufarbeiten

Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nie auf morgen! Oder auf übermorgen, nächste Woche, nächsten Monat, nächstes Jahr.

Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nie auf morgen! Oder auf übermorgen, nächste Woche, nächsten Monat, nächstes Jahr. Diesen Spruch mochte ich nie. Wohl weil ihm eine Wahrheit innewohnt, die ich nicht gerne akzeptiere. Faulheit und Lässigkeit rächen sich manchmal fürchterlich. Gerade habe ich diese Erfahrung wieder gemacht. Es kostete mich etliche Stunden.

Charlotte hatte sich beschwert, dass alle ihre Freundinnen ein Album mit den schönsten, originellsten und wichtigsten Fotos aus ihrem Leben haben. Und diese dicken Bilderbücher werden ständig aktualisiert. Sie sei wirklich die Allereinzige, die nie die Stationen ihres Lebens betrachten kann, sagte sie und guckte mich traurig an. Irgendwie hat das Kind recht, ich bekam ein schlechtes Gewissen. Dabei hatte ich genau so ein Vorhaben einmal vorbildlich gestartet. Vor rund zwölf Jahren, direkt nach der Geburt unserer Tochter. Die Bilder der Neugeborenen waren in einem großen Hefter eingeklebt, teils sogar mit Datum versehen. Nur leider ging es nie weiter. Das letzte Bild zeigte Charlotte mit drei Monaten, beim ersten Rendezvous mit Kumpel Patrick.

Ich musste also eine Menge nachholen. Bei uns finden sich in Ikea-Kartons zentnerweise Fotos – Erinnerungen aus knapp 30 Urlauben mit und ohne Oma und Opa, von Kindergeburtstagen, Voltigierturnieren, von Ballettvorführungen, von der Taufe, der Einschulung, dem Wechsel aufs Gymnasium, von Familienfeiern, von Faschingspartys und von anderen wichtigen Ereignissen. Ich arbeitete mich durch die Bilderberge und fand neben vielen Fotoschätzen auch sonst so einiges Interessantes: eine lange vermisste CD, ein altes Zeugnis und die Glückwunschkarte von Onkel Gerhard zu Charlottes drittem Geburtstag – samt 50-Mark-Schein. Über dieses nachträgliche Geschenk freute sie sich nur verhalten, sie dachte vermutlich an die besonders begehrte Barbie, die nie gekauft werden konnte. Sigrid Kneist

D-Mark-Scheine kann man bei der Filiale der Bundesbank umtauschen: Leibnizstraße 10, Montag bis Freitag 8–13 Uhr.

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