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Was machen wir heute?: Entscheidungen treffen

In letzter Zeit stellt Lucas, fünf, immer so existenzielle Fragen. „Was magst du lieber: tot sein oder lebendig?

In letzter Zeit stellt Lucas, fünf, immer so existenzielle Fragen. „Was magst du lieber: tot sein oder lebendig?", fragt er, gern auch: „Was willst du lieber sein: tot oder Bettler?", oder: „Willst du lieber reich sein oder lebendig?" Er zwingt alles in Entweder-oder-Fragen: Was findest du schöner, diese Blume oder das Meer? Wo lebst du lieber, in Berlin oder in Deutschland? Nicht alle Fragen gehorchen den Gesetzen der Logik, aber egal: In zwei Wochen wird er eingeschult, da kommt die Logik von alleine.

Die überraschendsten Fragen kommen aus heiterem Himmel: „Wen magst du lieber, Hitler oder Oma Annemarie?" Da hatte das Kind gerade eine Grundtatsache der deutschen Geschichte aufgeschnappt. Immerhin war diese Frage ganz leicht ehrlich zu beantworten. Bei anderen ist es komplizierter. Als wir kürzlich allein im Auto unterwegs waren, fragte Lucas: „Wen magst du lieber: Timmy oder mich?" Das ist, so scheint mir, die Urform aller kindlichen Entweder-oder-Fragen; auch Timmy stellt sie regelmäßig, und ich antworte immer das, was seit Urzeiten alle Eltern antworten. Das wollte Lucas offenbar nicht hören, denn er gab mir von der Hinterbank aus fröhlich den Tipp: „Sag doch einfach mich, Timmy ist ja nicht da und kann's nicht hören!"

Im Moment beschäftigen mich eher ganz konkrete Entweder-oders, denn ich stehe mit langen Materiallisten beider Klassenlehrerinnen im Schreibwarenladen und schwitze über der Frage, welche Heftgrößen in welcher Lineatur aus welchem Papier in welchem Ranzen zu welcher Federmappe mit welchen Stiften wir nehmen sollen. Geht immer nur entweder – oder! Immerhin hat mein Kleiner auch einen Tipp, wie wir langweiligen Logiker das ganze Entweder-oder ein für alle Male überwinden können. Auf die Frage, ob er zum Abendessen kommen möchte, sagt er: „Ich habe beides: Ich habe Hunger und ich habe keinen Hunger." Und ich, ich bin tot und lebendig, Bettler und reich, Scout und McNeill, Ranzen und Filzstift, alles zugleich. Dorothee Nolte

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