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Was machen wir heute?: Lehrer bewundern

Als neulich jemand gesucht wurde, der meinem Neffen, einem Sechstklässler, bei den Hausaufgaben hilft, rief ich begeistert: „Hier!“ Der Jugend etwas beibringen, ihr die Augen öffnen für die Welt der Bildung, was gibt es Schöneres, dachte ich etwas aufgeregt und wies das Kind an, den Schulranzen zu holen, worauf es ein speckiges Heft auf den Tisch knallte.

Als neulich jemand gesucht wurde, der meinem Neffen, einem Sechstklässler, bei den Hausaufgaben hilft, rief ich begeistert: „Hier!“ Der Jugend etwas beibringen, ihr die Augen öffnen für die Welt der Bildung, was gibt es Schöneres, dachte ich etwas aufgeregt und wies das Kind an, den Schulranzen zu holen, worauf es ein speckiges Heft auf den Tisch knallte.

Es ging um die englische Sprache. Mein Neffe las eine von ihm verfasste Nacherzählung. Ich stierte auf die für meinen Geschmack unleserlichen Worte, um keinen Fehler zu übersehen, und da: „apper“ statt appear. Ha! Ich bohrte meinen Finger in sein Heft und rief: „Da fehlt aber ein A!“ Er jaulte auf, ich sagte: „Ist doch nicht so schlimm.“ Er verbesserte, ich gähnte, er las weiter. Es ging um den Überfall von Killerwespen auf ein Raumschiff. Der nächste Fehler. Da stand „disapper“. „Liebes Kind“, hob ich an, „wenn man nun appear mit ea schreibt, wie schreibt man dann wohl disappear?“ Aber das war jetzt natürlich einfach. Der Junge haderte mit sich. Ich sagte: „Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler.“ Es ging weiter. Mal fehlte ein „e“, mal ein „o“, mal ein Wort. Am Ende musste der Junge den ganzen Text noch mal abschreiben, das fand ich pädagogisch. Danach war ich froh, dass die Hausaufgaben vorbei waren. Ich dachte an die Lehrer dieser Welt und bedauerte sie für ihren entsetzlichen Job.

Später kam eine Bekannte und klagte über die vielen englischen Wörter in der deutschen Sprache. Im Fußballclub ihres Sohnes würde immer nur vom Coach gesprochen. „Reisebus!“, rief mein Neffe. „Unsinn!“, riefen wir. Da lief er los und kam mit seinem Langenscheidt-Wörterbuch wieder und da stand: coach – Reisebus. Ich schnappte nach Luft. Was für eine Demütigung! Ich riss ihm das Buch aus der Hand und wühlte wütend in den Seiten, dann warf ich es mit einem Schrei in die Ecke. „Ist doch nicht so schlimm“, tröstete mich das Kind. Da fiel ich ihm um den Hals und weinte dankbar. Ariane Bemmer

Wer kleinen Leuten bildungsmäßig helfen möchte, kann z. B. Lesepate werden. Infos: Bürgerstiftung Berlin, Telefon: 83 22 81 13

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