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Kultur: Was vorm Kriege übrig bleibt

Bundeskanzler Schröder und der britische Premier Tony Blair eröffnen in London die Ausstellung „Masterpieces from Dresden“

Nie war Sachsen mit seinen Kunstschätzen so präsent wie heute. Der Anlass ist traurig genug: Die Flut vom vergangenen August ist als Jahrhundertflut zugleich monumentalisiert wie entrückt, als ob sie sich nicht jedes Jahr wiederholen könnte. Diese Sorge jedenfalls plagt die Staatlichen Kunstsammlungen, die immer dringlicher eine neue, hochwasser-sicherere Unterbringung ihrer unübersehbar reichen Depotware fordern.

So auch jetzt in London. Dorthin ist ein Kern von 54 Gemälden der zuvor in Berlins Altem Museum gezeigten Auswahl aus der Gemäldegalerie Alter Meister weitergewandert, um in der britischen Hauptstadt „ein breites internationales Publikum zu erreichen“, wie Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt bei der Vorbesichtigung sagte. Gleichzeitig ist die Ausstellung als Dank für britische Unterstützung und Spenden während der Jahrhundertflut gedacht.

Die Ausstellung erweist sich jedoch – anders als ursprünglich geplant – als Politikum im Zeichen der Irakkriegsdebatte: Bundeskanzler Schröder und der britische Premierminister Blair, sozialdemokratische buddies und in der Kriegsfrage gleichwohl zerstritten, eröffneten am Mittwoch Abend gemeinsam die Schau „Masterpieces from Dresden“ in der Royal Academy of Art, bevor sie sich zur Diskussion der aktuellen Lage in die Downing Street zurückzogen. Ein zutiefst symbolischer Akt, bedeutet das am 13. Februar 1945 flächendeckend zerstörte Dresden doch ein deutsch-britisches Trauma, das mit dem 60. Jahrestag der Bombardierung – und den Diskussionen um Jörg Friedrichs Buch „Der Brand“ – wieder ins aktuelle Bewusstsein gerückt ist. Wenn Schröder und Blair nun auf Bellottos Stadtansichten die Schönheit der unzerstörten Residenzstadt Dresden bewundern, ist das vor dem Hintergrund des drohenden Irakkriegs doppelt bedeutsam.

Landesvater Milbradt nutzte die Gelegenheit, auf Werbetour für „Saxony“ zu gehen. Beinah erschrocken betonte er beim Pressefrühstück in der Deutschen Botschaft, die Kultur sei „nicht die Magd der Wirtschaft“. Aber das ihm die Wirtschaft näher liegt, konnte er nicht verbergen, als er stolz auf die fünf VW-„Phaetons“ verwies, die zu seinem Besuch als Dienstkarossen aufgefahren waren. Sachsen, so Milbradt, weise „mittlerweile die größte Dichte an Automobilwerken in Deutschland auf“.

Aber „auch die höchste Kulturdichte“ – wie immer sie gemessen werden mag. Immerhin: „Wir haben in Sachsen pro Kopf die höchsten Kulturausgaben in Deutschland.“. Der frühere Finanzminister Milbradt versprach, die Kulturausgaben mindestens konstant zu halten, was angesichts geschrumpfter Steuereinnahmen „doch eine positive Nachricht“ sei. Nur die Zusage zu einem hochwassersicheren Zentraldepot wollte ihm partout nicht über die Lippen kommen. Da mochte Museumsdirektor Martin Roth noch so eindringlich auf Paris verweisen, wo dieser Tage – „aufgerüttelt durch die schrecklichen Ereignisse in Dresden“ – alle Seine-nahen Museumsdepots geräumt worden sind.

Die beste Rhetorik aber hatte Norman Rosenthal zu bieten, der Ausstellungsleiter der Royal Academy. Er wusste die von ihm, anders als in Berlin, auf klassische Weise nach nationalen „Schulen“ gegliederten Bilder zu lobpreisen, als seien es die eigenen. Zumal die Venedig-Impressionen Canalettos und die Dresden-Veduten von dessen Neffe Bernardo Bellotto dürften in England Wirkung zeigen, wo die venezianische Rokokomalerei seit jeher in höchstem Kurs steht. Aber die Konkurrenz ist hart. In der im Hauptgeschoss gezeigten „Azteken“- Ausstellung schieben sich die Besucher an den geheimnisvollen Steinskulpturen Mittelamerikas entlang, die im Sommer auch im Berliner Gropius-Bau Furore machen sollen. Ob Dresdens Schätze da mithalten können, wird sich erst zeigen müssen.

Royal Academy, bis 8.6. Katalog 18,95 Pfund.

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