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Der Barcelona-Pavillon. Er wurde 1983 an seinem Ursprungsort wieder aufgebaut.

© Hans Peter Schaefer/Wikipedia/CC BY-SA 3.0

Weltausstellung 1929: Wie der Barcelona-Pavillon fast im Tiergarten landete

Mies van der Rohe gestaltete 1929 einen bahnbrechenden Pavillon für die Weltausstellung in Barcelona. Fast hätte er es nach Berlin geschafft.

Der Geheimrat weilte im Ausland, als im August 1929 ein Brief aus Krefeld in der Berliner Nationalgalerie eintraf. Ob es denn keine Möglichkeit gebe, wollte der rheinische Seidenfabrikant Hermann Lange von Direktor Ludwig Justi wissen, „den Pavillon, den der Architekt Mies van der Rohe in Barcelona errichtet hat, in Berlin aufzustellen.“ Schließlich, so der kunstsinnige Unternehmer, sei „der kleine Pavillon ein sehr schönes Bauwerk, und ich würde es bedauern, wenn derselbe nicht nach Deutschland kommen oder evtl. sogar durch Abbruch ganz verschwinden würde.“ Dass es vor 90 Jahren eine Initiative gab, einer Ikone der internationalen Architekturmoderne dieses Schicksal zu ersparen, ist heute so gut wie vergessen.

Lange wusste, wovon er sprach: Er war einer der wichtigsten Auftraggeber von Mies van der Rohe. Für den Unternehmer hatte er unter anderem Betriebsgebäude, Möbel und das berühmte Wohnhaus in Krefeld entworfen, das heute Museum für zeitgenössische Kunst ist. Spannungsfrei verlief die Zusammenarbeit allerdings nicht: Während der Bauherr dem tradierten Raumkonzept von abgeschlossenen Räumen anhing, plante der Architekt offene Wohnbereiche, die bestenfalls durch Trennwände gegliedert wurden. Diese Idee setzte Mies van der Rohe auch um, als er vom Deutschen Reich und auf Langes Initiative den Auftrag erhalten hatte, bei der Weltausstellung 1929 in Barcelona einen Pavillon für die deutsche Industrie und das Handwerk zu gestalten. Sein Entwurf war bahnbrechend: Die Wände hatten keine tragende Funktion mehr. Das Dach ruhte auf schmalen Stahlbetonstützen. Glasscheiben und Wandelemente aus Travertin verbanden Decke und Boden, ohne Räume zu definieren.

Nur temporär eingeplant

Nach Ende der Ausstellung drohte dem Barcelona-Pavillon tatsächlich der Abriss – er war nur als temporäres Bauwerk geplant gewesen. Langes Brief an Justi, dessen Original heute im Zentralarchiv auf der Museumsinsel aufbewahrt wird, erzählt davon, wie der Industrielle über die Möglichkeiten des Erhalts recherchiert hatte. Das Bauwerk sei „Eigentum des deutschen Reiches“, teilte er Justi mit und berichtete von einer Idee, die er mit dem Galeristen Alfred Flechtheim für eine Installation in Berlin entwickelt hatte: „Meines Erachtens würde man im Tiergarten leicht eine Stelle finden können, wo der Pavillon aufgestellt werden könnte. Eine Belebung des Tiergartens durch ein solches Bauwerk, das dann auch etwas frei liegen müsste, würde den etwas langweiligen Tiergarten ja nur reizvoller gestalten.“

Als ganz so einfach erwies sich die Angelegenheit dann aber nicht. Zwar antwortete an Stelle des abwesenden Justi dessen Kustos Ludwig Thormaehlen, auch „Reichskunstwart“ Edwin Redslob unterstütze die Idee. Verschiedene Stellen hätten ihm aber mitgeteilt, dass die Besitzverhältnisse nicht geklärt seien: „Das Reich sei nur zu einem Teil, so etwa wie mit einer Hypothek, an dem Bau beteiligt und von der anderen Seite soll das meiste Geld von der Industrie für die Errichtung gegeben sein. Auch kann es sein, dass die Spanier einen Anspruch auf das Gebäude haben, da ja der Boden den Spaniern gehört und die meisten Bauwerke der Ausstellung später stehen bleiben werden.“ Man wolle die Idee aber weiterverfolgen.

In Spanien rekonstruiert

Erfolg hatten die deutschen Bemühungen nicht. Nach Ende der Weltausstellung wurden der Pavillon abgerissen und die für den Bau verwendeten Materialien verkauft, zum Teil nach Deutschland: Die Steine wurden unter anderem im Sächsischen Landtag verbaut. In Spanien entschloss man sich 1983, den Barcelona-Pavillon an seinem ursprünglichen Standort zu rekonstruieren. Drei Jahre später konnte er dort wieder besichtigt werden – nicht im Tiergarten.

Stefan Koldehoff

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