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Karte der Insel Timor im Jahr 1522. Zeichnung in Antonio Pigafettas Tagebuch.

© R/D

Weltumsegelung: Unter fremden Göttern

Neu übersetzt: Antonio Pigafettas legendärer Bericht von seiner Weltumsegelung mit Fernando Magellan.

Als sich im letzten Jahr Ferdinand Magellans erste Weltumseglung zum 500. Mal jährte, gab es in Madrid eine Ausstellung im Museo Naval, die auch den Spanier Juan Sebastian Elcano feierte. Elcano war es, der eines der fünf Schiffe, mit denen Magellan aufgebrochen war, nach dessen Tod und einigen Seeräubereien im Westpazifik an den Portugiesen vorbei bis nach Spanien brachte.

Der triumphale Ausstellungstitel „Wir waren die Ersten“ klang schon zweifelhaft genug. Aber grotesk wurde er, als am 6. Dezember die große Demonstration anlässlich der Weltklimakonferenz ausgerechnet hier vorbeizog, angeführt von südamerikanischen Indigenen, die für ihre Rechte und den Schutz ihres Lebensraums eintraten. Das neue Zeitalter, das mit der „Entdeckung“ Amerikas und der Weltumrundung unter spanischer Ägide begonnen hatte, war und ist für sie eine Aneinanderreihung von Katastrophen.

Auf den Spuren Marco Polos

Doch nicht nur die Perspektive der Anderen ging im Museo Naval unter, sondern auch die Rolle eines besonderen Expeditionsteilnehmers. Durch wen wissen wir von Magellans Abenteuern? Vor allem durch einen jungen Patrizier aus Vicenza namens Antonio Pigafetta. Dieser abenteuerlustige junge Mann war es, der Jahre, nachdem er nach Europa zurückgekehrt war, einen Reisebericht schrieb, ähnlich wie sein venezianischer Landsmann Marco Polo 200 Jahre zuvor.

Pigafettas Bericht ist eine Kostbarkeit der Weltreiseliteratur. Seine Schilderungen der exotischen Länder und der Indigenen zeugen von einem neugierigen Blick auf das Fremde: Er erstellte Glossare unbekannter Sprachen und beschrieb – nach Monaten des Hungers – köstliche neue Früchte wie die Banane und die Kokosnuss.

[Antonio Pigafetta: Die erste Reise um die Welt. Aus dem Italienischen erstmals vollständig übersetzt und kommentiert von Christian Jostmann. WBG Edition, Darmstadt 2020. 272 S., 28 €.]

Er erzählte von wilden Tänzen, fremden Göttern, wundersamen Naturerscheinungen, und natürlich kam auch die Wohlgestalt der unbekleideten Frauen in Übersee nicht zu kurz (eine Konstante in solchen Reiseberichten wie die Missionierungsaufgabe der christlichen Europäer und ihr Recht, gegebenenfalls Hütten niederzubrennen und Menschen mitzunehmen). Wenn ihn seine Erinnerung im Stich ließ, dann griff er auf Reiseberichte aus anderen Ländern oder auf seine assoziativen Fantasie zurück.

Freiheiten der Überlieferung

Dieser beeindruckende Text ist in mehreren Handschriften in verschiedenen Sprachen erhalten, die nicht ganz übereinstimmen. Bisher lag er auf Deutsch in einer aus mehreren Quellen kompilierten Auswahl vor, die die Freiheiten der Überlieferung als Lizenz nahm, selbst einige literarische Freiheiten walten zu lassen.

Nun hat der Historiker Christian Jostmann, der letztes Jahr eine Magellan-Biografie veröffentlicht hat, den Bericht nach der maßgeblichen Mailänder Handschrift neu übersetzt. Zwar erscheint die Übersetzung an manchen Stellen etwas hölzerner als die gewohnte von Robert Grün, doch ist der Text zum ersten Mal in einer verlässlichen Ausgabe zugänglich.

Wie bei den Ereignissen vom 21. Oktober 1520: Da entdeckten die Seefahrer im Land der von Pigafetta als Riesen beschriebenen „Patagonier“ am „Kap der elftausend Jungfrauen“ die Passage in den „Pazifik“ (auch dieser Name stammt aus Pigafettas Bericht), die heutige Magellanstraße.

Magellan hatte behauptet, in Lissabon eine geheime Karte des Kosmografen Martin Behaim gesehen zu haben, auf der diese Passage eingezeichnet war. Mehrmals hatte er die murrenden und meuternden Seeleute wieder auf Kurs gebracht, und hier war sie nun tatsächlich.

Pigafetta, der loyale Chronist seines verehrten „Generalkapitäns“, feierte Magellan ebenso wortreich für dessen Klugheit und Umsicht im Umgang mit den fremden Menschen und den eigenen Seeleuten, wie er später dessen gewaltsamen Tod auf den Philippinen beklagte. Juan Sebastian Elcano dagegen erwähnte er mit keinem Wort.

Hans-Christian Riechers

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