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Kultur: Wenn die Wüste flimmert Susanne Kriemann erhält den Gasag-Kunstpreis

An Kunstpreisen mangelt es nicht. Auch nicht an Liebeleien zwischen Kunst, Wissenschaft und Technik.

An Kunstpreisen mangelt es nicht. Auch nicht an Liebeleien zwischen Kunst, Wissenschaft und Technik. Die gab es schon in der Renaissance; nur haben die jungen Künstler die Reize der Forschung neu entdeckt. Die Berlinische Galerie verbindet nun beides: einen achtbaren Preis und den jüngsten Trend. Nachdem im Frühjahr die Gasag-Sammlung im Landesmuseum Unterschlupf gefunden hatte, da es am neuen Firmensitz in Mitte keine Präsentationsmöglichkeiten mehr gab, folgt nun der Kunstpreis des Unternehmens, der fortan an der Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft und Technik angesiedelt sein soll. Die Gasag ist damit zum zweiten Mal gut beraten, sich mit einem Ausstellungshaus zu vereinen, um auf der Höhe der Kunst zu stehen.

Thomas Köhler, der neue Direktor der Berlinischen Galerie, betreibt damit zugleich Kulturpolitik. „Was brauchen wir eine neue Kunsthalle in Berlin?“, fragt er rhetorisch. Die große Eingangshalle des Museums ist für Susanne Kriemann freigeräumt. Der Preisträgerin wurde die Auszeichnung gestern Abend durch Barbara Kisseler, die Chefin der Senatskanzlei, verliehen. Kriemanns Auftritt überrascht, denn wer die Arbeit der Berliner Künstlerin kennt, hätte eine spröde Fotoinstallation erwartet, wie sie in der Neuen Nationalgalerie bei der 5. Berlin-Biennale zu sehen war.

Die 38-Jährige präsentierte damals den monströsen Schwerbelastungskörper von Tempelhof, mit dem Albert Speer die Standfestigkeit des märkischen Sandes für seine Germania-Pläne untersuchte. In einer Installation kombinierte sie historische und eigene Bilder, um den veränderten Blick zu dokumentieren und zugleich die Unmöglichkeit einer Dokumentation zu demonstrieren.

Susanne Kriemann arbeitet als Rechercheurin, Forscherin, Poetologin, denn ihre nüchternen Untersuchungen eröffnen immer auch einen dichterischen Raum. Aufs Schönste gelingt ihr dies in der Berlinischen Galerie, wo historische Aufnahmen von Agatha Christie den Ausgangspunkt bilden. Die Krimiautorin begleitete zwischen 1922 und 1934 ihren Mann bei seinen Ausgrabungen frühdynastischer Königsgräber in Mesopotamien. Susanne Kriemann reiste ebenfalls hin, kam im Winter 2009 aber nur bis Damaskus und musste sich dort mit der Bagdadstraße zufriedengeben, wo sie abwechselnd die 30er-Jahre-Villen rechts und links des Bürgersteigs fotografierte.

Plötzlich entspinnt sich ein Dialog zwischen den Bildern, und es stellt sich die Frage: Was heißt hier Moderne? Worin besteht die Gegenwart? Was bewahrt die Vergangenheit? Antworten weiß auch Susanne Kriemann keine, aber sie zeigt Zufälle auf, von denen unsere Wahrnehmung abhängig sein kann. Etwa das sich in den Glasrahmen der Fotografien farbig spiegelnde Licht.

Zur Betonung dieses Phänomens hat die Künstlerin das nüchterne Neonlicht der Saalbeleuchtung gegen farbige Röhren ausgetauscht, entsprechend der Abfolge des Regenbogens. Nun ist der längliche Saal in einen bunten Schimmer getaucht, der die kühle Recherche zum Schweben bringt. Ob Wüste, Fotografie oder Museum, alles drei sind Konservierungssysteme, wie die Künstlerin es nennt. Und doch bietet keines der drei Verlässlichkeit.

Mit der Kriemann-Ausstellung hat sich die Berlinische Galerie ein kluges Reflexionsstück ins Haus geholt, mit dem Gasag-Preis die Möglichkeit eröffnet, Positionen junger Kunst zu präsentieren. Für ein Museum ohne eigenen Ausstellungsetat besteht darin der größte Gewinn. Nicola Kuhn

Berlinische Galerie, Alte Jakobstr. 124-128, bis 31.1.; Mi-Mo 10-18 Uhr.

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