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Werke von Oppenheim in Berlin: Andenken an das Pelzfrühstück

Werke von Meret Oppenheim, der „First Lady of MoMA“, in Berlin

Für sagenhafte 200 Schweizer Franken soll Alfred H. Barr Meret Oppenheims „Frühstück im Pelz“ 1936 für das Museum of Modern Art angekauft haben. Als Inkunabel surrealistischer Skulptur ging das Objekt in die Geschichte ein und machte die 23-jährige Künstlerin zur „First Lady of MoMA“; so der Titel einer Ausstellung, mit der die Galerie Schoen+ Nalepa die 1913 in Berlin geborene Schweizerin würdigt. In der mit mehr als achtzig Exponaten bestückten Präsentation erstaunt dann nicht wenig, dass auch knapp zwanzig Jahre nach Oppenheims Tod Auflagenwerke um 300 Euro kosten und selbst Originale wie das wunderschöne Aquarell „Schnecke“ mit 7800 Euro erstaunlich günstig sind. „Bei ihren männlichen Weggefährten muss man mindestens eine Null anhängen“, sagt Irena Nalepa. Tatsächlich sind Werke Oppenheims bis heute unterbewertet und die zahlreichen Fotografien, die sie als Modell oder aber ihr Konterfei zeigen, oft geläufiger als das vielschichtige Werk der mehrfach Begabten, die als Lyrikerin ebenso fasziniert wie als frühe Wegbereiterin eines verblüffenden Zusammenspiels von Kunst, Mode und Design.

Leider verfällt die Ausstellung dem hartnäckigen Klischee von der Surrealisten-Muse, wenn sie immer wieder Fotografien zwischen die Kunstwerke streut und obendrein auf dem Ausstellungsplakat Man Rays Oppenheim-Akt an der Druckpresse abbildet. Anstatt dem Werk zu vertrauen, setzt man auf ein Motiv, das zwar nicht von ihr stammt, dafür aber den Wiedererkennungseffekt garantiert. Denn selbigem hat sich die Künstlerin stets verweigert, worin ein Grund für das günstige Preisniveau liegen mag.

Oppenheim hat sich stilistisch nie festlegen lassen. Mach doch noch mal was mit der Pelztasse, scheint Anfang der Siebzigerjahre jemand geflüstert zu haben. Die Künstlerin antwortete auf derlei Begehren mit frechem Witz: Das „Andenken an das Pelzfrühstück“ (unverkäufliche Leihgabe) wird als Wandschmuck im Stil der Stickbildchen, die kleinbürgerliche Stuben zieren, zum ironischen Selbstzitat. Auch zwischen und innerhalb der Medien nahm sich die Künstlerin stets die Freiheit des permanenten Wandels. So reicht die Malerei von reduzierter Gegenständlichkeit wie in „Mondlandschaft, rechts Felsen“ (52000 Euro) bis zum expressiv Gestischen in „Sommergestrüpp (Pan verbirgt sich)“ (33400 Euro). Doch lässt die Bildauswahl der Ausstellung das Unkonventionelle der Objekte sowie der Person Meret Oppenheims vermissen.

Dagegen zeugen der „Schuh mit Pelz“ (Preis auf Anfrage) oder ein „Ring mit Zuckerwürfel“ (1360 Euro), deren Entwürfe aus den Dreißigerjahren stammen, wie weit Oppenheim ihrer Zeit vorauseilte. Und manch Zeitgenössisches – wie es zum Beispiel die 3. Berlin Biennale in der Modesektion präsentierte – verblasst angesichts der lebendigen und humorvollen „Robes simple“ (Preise auf Anfrage), die Oppenheim bereits in den Vierzigerjahren erfand.

„Meret war eine der am wenigsten gehemmten Frauen, die mir je begegnet sind“, schrieb Man Ray in seiner Autobiografie. Diese Ungehemmtheit als Frau vor allem aber als Künstlerin musste die männliche Kunstwelt düpieren. Bei aller Faszination, blieb sie für Man Ray ein schönes junges Mädchen, das in Paris mit den Surrealisten zusammensaß und für Max Ernst „unser Meretlein“. Nicht zuletzt derlei Reduktionen auf die Kindfrau und Femme fatale stürzten Oppenheim Ende der Dreißigerjahre in eine lange Schaffenskrise, in der sie Arbeiten vernichtete oder nicht zu Ende führte.

Der Hamburger Galerist Thomas Levy bewegte die Künstlerin dazu, nicht realisierte Werke nach ihren Skizzen und Anweisungen anfertigen zu lassen. So können das Bild von Meret Oppenheim und ihre Bedeutung für die zeitgenössische Kunst spät aber dennoch gerade gerückt werden. Denn wie formulierte die Künstlerin selbst es so trefflich: „Die Frauen sind also die Musen, die vom Genius geküsst werden, so wie der Mann, der Genius, von der Muse geküsst wird.“

Galerie Schoen+Nalepa, Wallstraße 23/24, bis 28. August; Dienstag bis Freitag 14–19 Uhr, Sonnabend 12–16 Uhr.

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