
© Felicity Ingram
Wider die toxische Männlichkeit im Hip-Hop: Loyle Carner und sechs weitere Konzerte in Berlin und Potsdam
Penislänge, dicke Muskeln, fette Karren? Der Brite Loyle Carner rappt lieber über Liebe, Trost und Solidarität. Und hat großen Erfolg damit. Hier sind unsere Konzertempfehlungen der Woche.
- Jörg Wunder
- Tabea Hamperl
- Silvia Silko
Stand:
Enttäuschungen gehören zu einer Popkarriere einfach dazu. Für Abor & Tynna etwa war das vergeigte ESC-Finale vielleicht sogar ein heilsamer Schock, neigte das Wiener Geschwisterpaar doch im Vorfeld ein wenig zur Selbstüberschätzung.
An diesem Punkt sind Sharktank, ebenfalls aus Wien, noch nicht angekommen, während die Power-Pop-Bands Beach Bunny und The Beths ihre jeweiligen Karrieredellen gut überwunden haben.
Und Jesper Munk und Isolation Berlin spielen sowieso in ihrer jeweils eigenen Liga. Was man auch von Loyle Carner sagen kann, der in Sachen Achtsamkeit neue Maßstäbe setzt und dennoch weiß, dass Hip-Hop vor allem ordentlich grooven muss.
1 Isolation Berlin

© Noel Richter
„Deutsche Rockband aus Berlin“ schreibt Wikipedia lapidar zu Isolation Berlin. Und ja, das stimmt.
Allerdings ist das 2012 gegründete Quartett um den charismatischen Frontmann Tobias Bamborschke darüber hinaus eine Indierock-Institution als Vorreiter einer Neuen Unbehaglichkeit, die – meist ohne Ironie – die Zumutungen des Daseins im frühen 21. Jahrhundert adressiert.
Das geschieht auf dem fünften Album „Geheimnis“ mit deutlich mehr Bereitschaft zu Expressivität und Krawall als zuvor und findet in Songs wie „Ich hasse Fußballspielen“ oder „(Ich will so sein wie) Nina Hagen“ bekenntnishafte Zuspitzung. (wun)
2 Jesper Munk

© Julio Cordey
Wenn einem Jesper Munk schon deshalb ein Begriff ist, weil man ihn vor zehn Jahren mal als Straßenmusiker im verwackelten Youtube-Video gesehen hat, spricht das ziemlich für den Musiker.
Lässig blueste der gebürtige Münchner damals schon mit der Lebenserfahrung eines vom Leben Durchrüttelten rau ins Mikro. Nun ist er auch äußerlich in diese Rolle hineingewachsen.
Munk tourte mit Eric Burdon, nahm mit Gitarren-Legende Knox Chandler auf und gründete die Art-Noise-Punk-Band Public Display Of Affection (P.D.O.A.).
Sein bislang erfolgreichstes Album „Claims“ ist 10 Jahre alt geworden, und Munk tourt mit dem im September erscheinenden Best-of-Album. (thp)
3 The Beths

© Frances Carter
„Expert in a Dying Field“ heißt der bekannteste Song der neuseeländischen Indiepop-Band The Beths. Und das sind sie im Prinzip ja auch selbst: Experten in einer vielleicht nicht aussterbenden, aber an Bedeutung verlierenden Disziplin.
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Denn, mal ehrlich: Haben wir all diese ins Ohr flutschenden, von Elizabeth Stokes mit mehrstimmiger Unterstützung ihrer Jungs eingesungenen Melodien nicht schon tausendmal gehört? Und liegt die Zukunft der Popmusik nicht in wagemutigeren Klängen?
Dann aber haben einen diese Zauberlehrlinge großer Bands wie Weezer oder Death Cab For Cutie mit ihren zwischen Melancholie und Euphorie oszillierenden Ohrwürmern doch am Haken. Von guter Musik kann es nie genug geben. (wun)
4 Beach Bunny

© Alec Basse
Zweieinhalb Minuten dauert „Prom Queen“. Eine supereingängige Melodie, griffige Powerpop-Akkorde, lakonischer Gesang und ein süßes Gitarrensolo: Mehr brauchte es 2018 nicht, um Lili Trifilios Song über weibliche Nicht-perfekt-genug-sein-Ängste zum Indie-Klassiker und TikTok-Phänomen zu machen.
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Aus Beach Bunny, dem Mädchenzimmer-Soloprojekt der jungen Chicagoerin, war damals schon die gleichnamige Band geworden. Covid bremste die Karriere des Trios etwas aus, aber mit ihrer neuen Platte „Tunnel Vision“ zeigen sich Beach Bunny in bester Verfassung. (wun)
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5 Abor & Tynna

© IMAGO/TT/IMAGO/Jessica Gow/TT
Da haben die deutschen Vorentscheider schon ein Einsehen und schicken das österreichische Geschwisterpaar Attila und Tünde Bornemisza zum Eurovision Song Contest 2025 – und dann gewinnt ein (anderer) Österreicher.
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Vielleicht war der Auftritt von Abor & Tynna zu unspektakulär, vielleicht ballerte ihr ESC-Song am europäischen Geschmack vorbei. Jedenfalls entsprach Rang 15 nicht den hohen Erwartungen der selbstbewussten Wiener. Und dann kamen auch noch homophobe Social-Media-Posts aus Attilas Vergangenheit ans Licht.
Das alles scheint Abor & Tynna kaum geschadet zu haben: Der erste Auftritt im Heimathafen vor zwei Wochen war ausverkauft. Aber jetzt gibt es noch Karten zum Mitballern. (wun)
6 Loyle Carner

© Universal Music
Wer toxische Männlichkeit sucht, wird im Hip-Hop zuverlässig fündig. Es geht oft darum, wer warum besonders maskulin ist. Aus männlicher Sicht wird darüber gerappt, wie groß die Penisse, Muskeln und Autos der Akteure sind und wie man damit eine große Anzahl an Frauen in die Vertikale bekommt.
Frauen sind unterrepräsentiert. Sie werden objektifiziert und haben ungefähr den Wert eines Wegwerfhandtuchs – es sei denn, es geht um Mutti, denn die ist auch für überzeugte Frauenhasser die Beste.
Maskulinität wird mit Stärke gleichgesetzt, Gewalt und Durchsetzungsvermögen sind super, Emotionen zeigen nicht so. Gegen Kritik wird gerne argumentiert, dass alles von der Kunstfreiheit gedeckt ist.
Dass man diesem Setting eine Absage erteilen kann, beweist Loyle Carner. Auf den bisherigen vier Alben des Briten geht es um Liebe. Darum, dass die Spirale von Verletzungen im Leben nur von einem selbst aufgehalten werden kann.
Damit kennt sich Carner aus. Im Süden Londons, wo er herkommt, sind Messerstechereien üblich. Der 31-Jährige erzählt davon auf seinem Song „Hate“. Manchmal geht es aber auch um Liebeskummer oder Carners ADHS-Diagnose.
Seine Fans lieben ihn für seine Texte, die persönlich sind, kritisch, nachdenklich, relevant. Gleichzeitig hat Carner einen eigenen Sound etabliert, dynamisch und elegant, samtig wie R’n’B, mit einer Verneigung vor den Hip-Hop-Größen der 90er.
Seine Konzerte sind angenehme Veranstaltungen: Es wird gemeinsam gefeiert, gelitten an Lebenswegen, die manchmal hart sind, und auf die es als Antwort eben nie Hass gibt, sondern Liebe. (sisi)
7 Sharktank

© Tim Cavadini
Auch die österreichische Popszene hatte ihren Oasis-vs-Blur-Moment: Mit Wanda und Bilderbuch konkurrierten in den 2010er-Jahren zwei extrem unterschiedliche Acts um den Austropop-Thron.
Kommerziell gingen Wanda als Sieger aus dem Ring, aber die wichtigere Band blieb Bilderbuch, deren exaltierter Disco-Art-Pop zukunftsfähiger war als der stumpfselige Schunkelrock von Wanda.
Zur Bilderbuch-Schule gehört das im Jahr 2020 gegründete Wiener Trio Sharktank. Für diese Erkenntnis braucht man nicht mal zu wissen, dass es personelle Verbindungen gibt: Sängerin Katrin Paucz zählte zur Tourband von Bilderbuch, Drummer Marco Kleebauer war 2022 Co-Produzent des Albums „Gelb ist das Feld“.
Ihren eigenen Popentwurf haben Sharktank mustergültig ausformuliert: Elegant zwischen Slacker-Indiepop und jazzigem Hip-Hop mäandernd, erinnert manches an 90er-Acts wie Bran Van 3000 oder Alabama 3.
Wobei Sharktank nicht zuletzt durch Mile Lechners quecksilbrigen Rap-Flow eine ganz eigene Farbe in die zeitgenössische Pop-Palette bringen.
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