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Kultur: Wieder versuchen, besser scheitern

Gegenwart ist wichtiger als noch ein Othello: Klara Höfels kämpft für ein Autorentheater in Berlin

Was ist das nun: Mut oder Übermut? Beharrlichkeit oder Besessenheit? Auf alle Fälle nötigt es einem den Respekt ab, den man sonst Extremsportlern entgegenbringt, mit welcher Ausdauer und Rückschlagsresistenz Klara Höfels an einem Vorhaben festhält, das sie selbst, lächelnd, „das Projekt, das ich so manisch betreibe“ nennt. Höfels, die als Schauspielerin eine blühende Staatstheaterkarriere hatte, die neben Größen wie Susanne Lothar oder Gert Voss auf der Bühne stand und sich noch lange durch den hochdotierten Klassikerkanon hätte spielen können, hat sich mit Leib, Seele und Vermögen der Idee eines Autorentheaters verschrieben. Ein Konzept, das den Dramatiker in den gesamten Prozess der Inszenierung einbezieht, ihm weitreichende Mitsprache einräumt, aber auch Offenheit etwa für Kürzungen im Kollektiv verlangt. Kein Fall für Egokünstler, auf keiner Position, „aber es funktioniert“, wie Höfels betont, Bühnen wie das Royal Court Theatre in London oder das Traverse Theatre in Edinburgh machten es vor. Warum nur gibt es so eine Institution nicht in Deutschland, nicht in der Hauptstadt? Seit zwanzig Jahren kämpft Klara Höfels für ihr Autorentheater. Jetzt unternimmt sie, im Kesselhaus der Kulturbrauerei, ihren vierten Anlauf in Berlin.

Die Schauspielerin, Anfang 60, eine elegante Erscheinung, holt weit aus, um ihre Passion zu erläutern. „Wie ist das Theater entstanden?“, fragt sie, an einem Fenstertisch im Café Savigny, wenige Tage vor ihrer Premiere. „Menschen wie ich sind mit ihrer Begabung auf die Marktplätze gegangen, weil sie wussten, dass die Leute Geschichten brauchen, so wie die Kinder Märchen brauchen.“ Am Anfang war das Wort, im Mund des Schauspielers. Der gute Text. Sie glaubt fest daran, dass Geschichten Lebenshilfe sein können, und dieses Sendungsbewusstsein hat Höfels weit getragen. Von den Mitbestimmungshäusern in Kiel bei Dieter Reibele und Peter Palitzsch in Frankfurt in den siebziger und frühen achtziger Jahren, über das Residenztheater München bis zum Staatstheater Stuttgart. Aber dann, um 1990, fiel sie in die Sinnkrise. „Breiter Hintern, leerer Kopf“, so beschreibt Höfels ihren Zustand nach Jahren des Erfolgs am Theater, nebenher bei Funk und Fernsehen. „Ich habe das Publikum nicht mehr gespürt und mich selbst auch nicht mehr.“ Sie verließ das Ensemble, lernte den jungen Regisseur und Autor Christian Achmed Gad Elkarim kennen – und entflammte für sein radikales Gegenwartsdenken.

Die beiden zogen eigene Produktionen in Stuttgart auf und bewarben sich 1994 um das Schlossparktheater in Steglitz, wo sie Heribert Sasse und den „Berliner Seilschaften“ unterlagen, wie Höfels spottet. Hernach erwachte sie in einem Albtraum, 70 000 Mark Schulden hatten sich angehäuft, zehn Jahre lang hat sie das abbezahlt. Beim nächsten Anlauf, 1998, versuchte sie zusammen mit dem Autor Oliver Bukowski die Tribüne zu übernehmen, wurde jedoch von vermeintlichen Partnern ausgebootet, die dann selbst mit dem Projekt baden gingen. Und zuletzt, von 2005 bis 2006, stellte sie im Literaturhaus immerhin 16 Gegenwartsautoren in szenischen Lesungen vor, tolle Schauspieler waren dabei, Miriam Goldschmidt, Walter Kreye, aber sie bekam keine Förderung, niemand verdiente einen Cent, „so werde ich nie wieder arbeiten“, schwört Höfels, „ich war einfach verblendet durch den Idealismus“. Sie sagt aber auch: „All diese Crashs waren im Rückblick wichtig.“ Man denkt an Beckett: „Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern.“ Oder am besten: Erfolg haben.

Klara Höfels hat sich einen Monolog von Marlene Streeruwitz vorgenommen, „Der Abend nach dem Begräbnis der besten Freundin“, Regie führt Gabriele Jakobi, sie selbst spielt. Nicht aus Geltungsdrang, mit ihrem Talent will sie Überzeugungsarbeit leisten für das Autorentheater, einmal mehr zeigen, „dass gute Gegenwartsstücke wichtiger sind als der zehnte Othello“. Es wird nicht einfacher, selbst Streeruwitz reagierte im Mail-Austausch eher verhalten. Dennoch: Höfels lässt sich nicht beirren. Sie hat einen Verein gegründet, um Sponsorengelder einwerben zu können. Sie hat mit dem Kesselhaus der Kulturbrauerei einen „magischen Raum“ gefunden. Sie bekommt Fürsprache und Unterstützung, auch durch Kesselhaus-Geschäftsführer Sören Birke. Und sie hat ein klares Konzept: Alle vier Wochen, am Samstag, will sie ab 2011 ein Gastspiel einladen, Inszenierungen aus Dresden, Magdeburg, Kiel, von Gegenwartsdramatikern wie Dirk Laucke, Nis-Momme Stockmann oder Sabine Harbeke. Am Sonntag darauf soll dann, von Berliner Schauspielern und Regie, ein neuer Text des jeweiligen Dramatikers in szenischer Lesung vorgestellt werden. Höfels hat Subventionen beim Hauptstadtkulturfonds beantragt, im „Abend nach dem Begräbnis“ steckt eigenes Geld, „ich wage gar nicht, nach dem Premierentermin meine Buchführung zu machen“, seufzt sie.

Parallel dazu versucht Höfels, ein Berliner Theater als Koproduzenten für das amerikanische Stück „Kriegsgarten oder American Tet“ von Lydia Stryk zu gewinnen, das sie, ihrer Philosophie gemäß, zusammen mit der Autorin entwickeln will. Es erzählt, am Beispiel einer Familie, von traumatisiert heimkehrenden Soldaten – betrifft uns das nicht auch hierzulande? Höfels könnte sich Ulrich Khuon oder Thomas Ostermeier als Partner vorstellen, die seien schließlich beide vorbildlich um junge Autoren bemüht. Was ja stimmt. Überhaupt existieren etliche Festivals, Fördergänge, Stückemärkte, die Autoren auf die Sprünge helfen. Warum also noch ein Autorentheater? „Weil es den einen Ort braucht, an den Sie immer zurückkommen können“, sagt Höfels mit Entschiedenheit, „und der ausschließlich der Gegenwartsdramatik gehört“.

„Der Abend nach dem Begräbnis der besten Freundin“ von Marlene Streeruwitz hat am heutigen Sonntag im Kesselhaus der Kulturbrauerei Premiere, 18 Uhr.

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