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Pittoreske Schönheit. Neapel mit einem schneebedeckten Vesuv.

© dpa / EPA ANSA FUSCO

William Beckfords Italienische Reise: Den Blumen lauschen

Ein Klassiker, neu übersetzt: Der englische Exzentriker William Beckford hat abseits gängiger Impressionen ein rauschhaftes Buch geschrieben.

Von Richard Schroetter

Im 18. Jahrhundert entdeckte man Italien neu - als ein versunkenes Arkadien. Pompeji wurde zum sprechenden Exempel für den Kult der Ruine und zum Anlass archäologischer Betrachtungen. Eine Studienreise nach Italien gehörte nicht nur zum guten Ton, sie wurde obligatorischer Bestandteil der Erziehung eines jungen Mannes aus der Oberschicht. Besonders unter Engländern war sie sehr beliebt. In zahlreichen Satiren machte man sich in Italien über die einbrechende Flut der englischen ‹milordi› lustig.

Zu den vielen Reisenden zählte auch der junge William Beckford (1760 - 1844), ein feinsinniger Exzentriker aus reichem Haus, dessen Namen wir heute vor allem noch mit dem Schauerroman „Vathek“ verbinden. Im Sommer 1780 begibt sich der 20-Jährige auf de große Reise in das Land, „wo die Zitronen blühn“. Seine Route führt ihn via Ostende, Antwerpen und Amsterdam rheinabwärts nach München, von dort über Bozen nach Italien. In Venedig soll ihn ein junger Ephebe in seinen Bann gezogen und zu einem längeren Aufenthalt veranlasst haben. Die weiteren Stationen waren Florenz, Pisa, Rom und natürlich Neapel und Pompeji.

Wie viele seiner Generationsgenossen hat auch Beckford seinen Rousseau gut gelesen. Wie dieser huldigt er einem schrankenlosen Subjektivismus und einer betonten Empfindsamkeit - sei sie nun echt oder Pose. „Ich bin fest entschlossen, meinen Träumen, meinen Phantasien und all meiner Individualität zu frönen«, erklärt er, »wie verdrießlich & ärgerlich auch immer für das Gelichter um mich herum. Ihm zu trotz werde ich glücklich sein.“

Der Duft des Klees

Die Natur als Gegenwelt zu einer auf Zwängen beruhenden Zivilisation ist auch ihm heilig. „Stell Dir vor, wie wohltuend es war, nach nichts anderem als dem Gestank der Canäle und dem Geruch des Rialto (…) den Duft des Klees einzusaugen, aufkeimendes Gras zu betreten und in aller Stille den Blumen zu lauschen, die im Blattwerk schwatzen“, berichtet er aus Venedig. Und einer mittelmäßigen Opernvorstellung zieht der passionierte Musikliebhaber es allemal vor, sich „in welkem Laub zu verbergen und keiner anderen Musik als seinem Rascheln zu lauschen.“  

Zu den immer wiederkehrenden Motiven Beckfords gehört auch der Blick in den Abgrund, der ein erregendes Schauergefühl hinterlässt, mal als Traum verschlüsselt, mal als reale, gesuchte Schockerfahrung. So riskiert er am Posillipo „Kopf und Kragen“ beim Klettern auf eine Pinie am Rand der Klippe, wobei er mit stolzer Verachtung auf das „Zwergenvolk“ unten herabblickt.

In seinem gleichsam trotzigen Hang zu provozierender Exzentrizität, seiner Lust an rauschhaften Momenten und Abenteuern, einem ausgeprägten Sinn für Atmosphärisches, für Witterung, Geräusche und Gerüche hebt er sich von der gängigen Reiseliteratur (unter deren Verfassern auch zwei ältere Mitglieder der Beckford-Sippe sind) erkennbar ab, worauf der ausgewiesene Beckford-Kenner Norbert Miller in seinem schwärmerisch-einfühlsamen Nachwort hinweist.

Ein guter Kenner des 18. Jahrhunderts ist zweifellos auch der Übersetzer Wolfram Benda. In seinem Bemühen, den Tonfall der Zeit möglichst genau zu treffen, ist er allerdings weit über das Ziel hinausgeschossen. Bendas Übertragung würde uns jedenfalls mehr „ergetzen“, wenn sie „itzt“ nicht so antiquiert und zopfig daherkäme, wozu das munter und frei von der Leber weg geschriebene Original gar keinen Anlass bietet. Auch haben Beckfords deutsche Zeitgenossen, etwa Wilhelm Heinse, Karl Philipp Moritz und nicht zuletzt Goethe ihre italienischen Reiseeindrücke in einem durchaus frischeren und moderneren Ton festgehalten.

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