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Labelgründer Klaus Koch im Studio bei Uschi Brüning und Axel Prahl, die ein Duett üben.

© Thilo Rückeis

Ost-Indie-Label Buschfunk wird 25: Wir machen's trotzdem

Heimat Buschfunk: Das erste Indie-Label des Ostens, wird 25. Ein Studiobesuch bei Klaus Koch und seinen Künstlern.

Französisch-Buchholz also. Raus aus der Tram voller Feierabendpendler, vorbei am Einkaufscenter, rein in die stille Straße, die zu traut erleuchteten Häuschen führt. Hier liegt das Tonstudio von Manne Pokrandt, Bassist der Band Engerling und Hausproduzent zahlloser Alben von Buschfunk. Dahinten auf dem Grundstück muss es sein. Klingeln, klingeln, noch mal klingeln, nix. Anrufen, noch mal anrufen, wieder nix. Wohl Bohnen in den Ohren, die Künstler. Also durch den Vorgarten. Klopfen und rein. Ein Vorraum voller Jacken, Instrumentenkoffer, Kaffeetassen. Rumpel-Glamour wie aus dem Backstage-Bilderbuch des Musikgeschäfts. Hallo! Nichts. Irgendwoher tönt Musik. Ah, Altrocker Pokrandt und die Seinen stehen im schalldichten Studio.

Die, das sind Musiker, die für ihren Auftritt beim Geburtstagskonzert von Buschfunk proben. Denn am heutigen Freitagabend feiert der noch als „Büro für zeitgenössische Kunst“ am 13. Dezember 1989 gegründete erste unabhängige Musikverlag Ostdeutschlands „25 Jahre Buschfunk“. Auf der Bühne stehen die Crème des Ostens und der eine oder andere West-Zugang, darunter Sängerin Uschi Brüning, Saxofonist Ernst-Ludwig Petrowsky, Pianist Ulrich Gumpert, Gitarrist Frank Diez, Danny Dziuk und Axel Prahl, der, wenn er nicht gerade singt oder Gitarre spielt, nicht ganz erfolglos schauspielert.

Ohne Buschfunk hätte es Axel Prahls Musik nie gegeben

Prahl und Brüning proben gerade ein Duett. Er selbst hat die hübsche Ballade „Liebe hat mir den Tisch gedeckt“ geschrieben. Sie stammt von seinem Album „Blick aufs Mehr“. Selbstredend ist das bei Buschfunk erschienen. Schließlich hat Labelchef Klaus Koch den trotz musikalischer Ausbildung völlig in der Schauspielerei versackten Prahl wieder für die Musik entdeckt. Ihn einfach vor ein paar Jahren nach einem Gedenkkonzert für Gerhard Gundermann angesprochen, wo Prahl mit seinem Freund Andreas Dresen auftrat. „Ohne Klaus Koch hätte es meine Musik nie gegeben“, sagt Axel Prahl, nimmt die Klampfe ab und quetscht sich neben Uschi Brüning aufs Sofa. Die großartige Jazzsängerin, die gerade zusammen mit Manfred Krug das Album „Auserwählt“ herausgebracht hat, ist schon viel länger mit dem Plattenlabel, dem Vertrieb, der Künstlerbetreuung verbandelt als Prahl. Buschfunk habe ihr und anderen DDR-Künstlern eine Heimat gegeben, als sich sonst keiner für sie interessierte, beschreibt Brüning kurz und wahr die identitätsstiftende Funktion des Labels nach der Wende. „Dass Klaus Koch Platten mit mir machen wollte, war wie im Märchen und mutig noch dazu – Jazz ist ja eigentlich gar nicht seine Musik.“ Und Prahl, dessen von Buschfunk veranstaltete Konzerte sehr erfolgreich in ganz Deutschland laufen, erzählt, dass er dabei bleibt, obwohl er inzwischen durchaus Angebote von größeren Plattenfirmen bekommt. Warum? „Buschfunk rührt nicht so aufdringlich die Werbetrommel, das ist mir angenehm.“ Aber ein Kaufmann sei er schon auch, der Klaus Koch.

Wie aufs Stichwort öffnet sich die Barackentür. Da steht er ja, der graubärtige Buschfunk-Gründer. 60 ist er, gebürtiger Wittenberger, studierter Kulturwissenschaftler, zu DDR-Zeiten war er Chef des Leipziger Studentenklubs Moritzbastei und ab 1987 in Berlin Referent in der Akademie der Künste Ost. Warum er als Nicht-Musiker ausgerechnet einen Musikverlag gegründet hat? „Weil ich mich furchtbar gelangweilt habe.“ Und Musikliebhaber, also Fan, und Veranstalter sei er immer gewesen. „Mir war im Herbst ’89 schnell klar, dass die alten Strukturen zusammenbrechen und dass wir uns selber um uns kümmern müssen.“

Unabhängig von Moden wollen sie sein

Aufbruch mit dem Auto nach Prenzlauer Berg. Märkisch-Buchholz verschwindet in Klaus Kochs Rückspiegel. Die Künstler müssen weiterproben. Das weitläufige Ladenbüro von Buschfunk in der Rodenbergstraße liegt verlassen. Das knappe Dutzend Mitarbeiter ist längst zu Hause. Klaus Koch schenkt Wein aus dem Kühlschrank im Chefbüro aus und kramt sich durch 400 veröffentlichte Alben: Gerhard Schöne, Wenzel, Rio Reiser, Klaus Renft Combo, Gundermann, Pankow, Silly, Olaf Schubert, Mitch Ryder.

An der Wand hängen Souvenirs, auf 3000 Konzerte hat es Koch gebracht. Musikmanager will er trotzdem nicht sein. „Ein schreckliches Wort.“ Auch das Buschfunk dauerunterstellte Thema, ein Bollwerk der Ostidentität oder womöglich gar ostalgisches Museum deutscher Musikgeschichte zu sein, geht ihm schwer auf den Zeiger. „Das langweilt mich, alles so rückwärtsgewandt.“ Okay, damals sei man verunsichert gewesen, habe sich Halt suchend aneinandergelehnt. Doch dass einer aus dem Osten stamme, sei noch lange kein Kriterium für ein Buschfunk-Album. „Unsere Stärke besteht darin, anders zu sein.“ Wie denn? Koch grinst. Nicht definieren macht ihm nun mal viel mehr Spaß als definieren. „Nicht gierig, unabhängig von Moden, auf der Seite der Musiker.“

Es geht um die Musiker, nicht um den Sound

Dass dabei kein eindeutiger Buschfunk-Sound, sondern ein musikalisches Sammelsurium von Liedermachern bis Weltmusik herausgekommen ist, stört ihn gar nicht. „Dazu habe ich viel zu viele Alben ,trotzdem‘ gemacht, für den Künstler eben.“ Lustig: Rock hat ihn zu DDR-Zeiten nicht die Bohne interessiert. „Ostrock war in den Achtzigern doch künstlerisch erledigt.“ Später hat ihm ausgerechnet „Ostrock in Klassik“ die bislang einzige Goldene Schallplatte eingebracht. Koch sitzt direkt darunter und zuckt amüsiert die Achseln. Ist einfach so passiert.

Alles planen, durchrechnen, zu wissen, wo die Reise hingeht, das war nie sein Ding. Also bekümmern ihn auch die schrumpfenden CD-Verkäufe des gebeutelten Musikmarkts wenig. Buschfunk, das ist Klaus Koch und der sitzt sowieso nicht für immer und ewig in diesem Büro. „Wir sind ein Generationenlabel.“ Gut platziert in der zweiten Liga. „Ohne Aufstiegsambitionen, ohne Abstiegsängste.“ Und wenn er keine Lust mehr hat? „Werde ich Winzer in Chile.“
„25 Jahre Buschfunk“ im Postbahnhof, am heutigen Freitag um 19.30 Uhr

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