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Kultur: Wolfszeit

Rom streitet über das Alter seiner Stammmutter

Die Wölfin vom Kapitol: Eigentlich war sie nur die Amme für zwei Findelkinder namens Romulus und Remus. Die Römer indes, stolzes Geschlecht,“von der Wölfin gesäugt“, betrachten sie als ihre Stammmutter. Deswegen ist das Bronzestandbild der „Lupa Capitolina“ eine Art Staatskunstwerk – über das zur Zeit erbittert gestritten wird.

Es geht um das Alter der Wölfin. Bisher hielt man sie für eine etruskische Arbeit etwa aus dem 5. Jahrhundert vor Christus. Sie wäre damit (fast) das Original schlechthin; die Stadtgründung durch Romulus wird auf April 753 datiert. Aber nun behauptet die Restauratorin Anna Maria Carruba, die Wölfin stamme aus dem Mittelalter, karolingische Epoche oder später. Carruba, die das Tier drei Jahre lang praktisch täglich zwischen den Fingern hatte, sagt, das annähernd lebensgroße Standbild sei nicht aus einzelnen Stücken zusammengeschweißt, sondern in einem Guss entstanden. Die Technik dafür sei aber erst im Mittelalter entwickelt worden, als christliche Kirchenbaumeister das Glockengießen lernten.

Die wissenschaftliche Gemeinde Roms ist gespalten. Eine Wölfin aus dem Mittelalter? Das ist unter der Würde der Ewigen Stadt. Andere fordern endlich mehr Realismus beim Blick auf die Stadtgeschichte. Und stilistisch? Ob die Krümmung der Nackenhaare original etruskisch oder romanisch-mittelalterlich ist, auch darüber wird gestritten. Man ist sich nicht einmal einig, ob das Kunstwerk nun „lebensnah-naturalistisch“ oder „abstraktkühl“ ist. Ein wissenschaftlicher Konvent ging Ende Februar im Dissens auseinander.

Fest steht nur, dass die beiden Bronzeknaben, die durstig nach den Zitzen der Wölfin grapschen, jünger sind. Zwischen 1471 und 1499 hat man sie unter Mamma Roma gesetzt. Nun soll das Geheimnis in Brindisi mittels Atomforschung gelüftet werden, genauer: mit der C14-Methode. Aus dem tönernen Kern der Wölfin wurden Proben gezogen, die ultimative Altersbestimmung ist für Dezember versprochen. Auch wurden auf dem Ton Fingerabdrücke des unbekannten Künstlers gefunden. Vielleicht steckt sogar ein Haar von ihm – unverdaut – im Bauch der Wölfin. Dann könnten sich ja die DNA-Forscher drüberbeugen. Paul Kreiner

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