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Ein Trio spielt auf kasachischen Schalenhalslauten.

© Kai Bienert

Young Euro Classic: Kasachstan: Der Sound der Steppe

Schon zum dritten Mal war das Jugendorchester aus Kasachstan Gast bei Young Euro Classic - mit Franz Schubert und drei Uraufführungen.

Man hört erfreulich wenig aus Kasachstan. Endlich mal ein exsowjetischer Teilstaat, der sich – anders als Tschetschenien, Georgien oder die Ukraine – ohne Krieg mit Russland zu einem normalen Land entwickeln darf? Übrigens flächenmäßig das neuntgrößte der Erde, wie Maria Ossowski verrät. Die charmante Patin hat sich präpariert und von Dirigent Aidar Torybaev so einiges erfahren. Zum Beispiel, dass die kasachische Musik 3000 Jahre alt ist.

Bei Young Euro Classic war das Symphonieorchester der Nationalen Universität der Künste Kasachstans jetzt zum dritten Mal zu Gast. Die Festivalhymne lässt nichts Gutes erwarten. So schlumpfig, verschnarcht und trantütig dürfte das von Iván Fischer komponierte Stück selten gespielt worden sein. Doch der Abend steigert sich rasch – mit drei (!) Uraufführungen. Okay, eine ist nur die Uraufführung der Orchesterfassung, aber immerhin. Mit überrumpelndem Blechtutti setzt „Tarlan“ von Aktoty Raimkulova ein, nimmt sich sofort zurück, bevor mit stampfendem Rhythmus neue Kraft einkehrt. Man meint, die Steppe zu riechen in dieser Musik, die pathetisch und pompös, aber nie peinlich ist. Dann ein bedauerliches Ritardando: Solistin Aiman Mussakhajayeva, Rektorin der Kunsthochschule in Astana, schafft es, ein so schmissig- dankbares Stück wie Aram Chatschaturjans Violinkonzert d-Moll kaputtzuspielen. Technik allein ist eben nur die halbe Miete, Mussakhajayeva ist so konzentriert auf ihre Fingerfertigkeit, dass sie die Außenseite des Klangs völlig vergisst. Was beim Hörer ankommt, ist Geschrammel. Als würde sie die Saiten nur tupfen, statt in die Vollen zu gehen. Ihr Spiel mag , irgendwo tief drin, Seele haben. Aber nicht Instinkt und Gespür.

Der erst 16-jährige Rakhat-bi Abdyssagin präsentiert sein Werk

Dschungelartig verschlingen sich in „God’s Dwelling“ des erst 16-jährigen Rakhat-bi Abdyssagin Klangflächen ineinander, ruhig atmend, fast bruckneresk, hebt und senkt sich die Musik in unisono gespielten Ganztönen – krasser Kontrast zu dem extrovertierten „Tarlan“, mit dem der Abend begann. In stolzer Einsamkeit singen drei zwischen die Beine geklemmte zweisaitige Schalenhalslauten, Kobys genannt, in der Orchesteruraufführung von Alkuat Kazakbaevs „Tlep“. Zarte Instrumente, die elektronische Krücken brauchen, wenn das Orchester einsetzt, dabei aber immer noch nobel klingen. Auch wegen solcher wohldosierten Folklorismen ist Young Euro Classic beliebt. Bei Schuberts 2. Symphonie setzt das Orchester schließlich weniger auf Verstand als auf Herz. Klangschärfe ist nicht so wichtig, dafür überrumpelnde, glücklich machende, pure Energie, die in einem enthusiastischen Presto-Finale gipfelt. Die verkorkste Hymne zu Beginn, sie war kein schlechtes Omen.

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