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Kultur: Zeig’ her deinen Film

Prominenten-Websites für Kino-Talente, Drehbuchkurse online, Besprechungen per SMS – eine Branche sucht das Internet

Ein grimmig schauender Uncle Sam, den Finger drohend auf den Betrachter gerichtet, im Hintergrund ein Highway, der ins Nichts führt, davor der Schriftzug „We want your film“. Sieht so ein netter Filmproduzent aus? Der schnelle Einstieg in die Kino-Karriere? Oder möchte man es da nicht doch lieber mit Oliver Schütte zu tun haben, dem Leiter der Master School Drehbuch, dem Mann mit den dünnen Brillengläsern und der leisen Stimme, bei dem jede Geschichte gut aufgehoben zu sein scheint? In Schüttes Büro in der Berliner Linienstraße stehen derzeit Hunderte von Videos, alles Nachwuchsfilme, die für den Talentcampus der Berlinale gesichtet werden müssen. Die jungen Filmer, die es bis hierher geschafft haben, haben die üblichen, langen Wege beschritten. Drehbuchmessen, Filmschulen, Vitamin B, die richtigen Kontakte. Einige von ihnen sind dabei wohl auch auf Abkürzungen gestoßen: im Internet. Auf Websites wie die mit Uncle Sam. Hinter der Aufforderung „We want your film“ steckt nämlich ein Kollege von Oliver Schütte, der schon Kino-Karriere gemacht hat: Kevin Spacey.

Der zweifache Oscar-Gewinner hat mit Triggerstreet.com ein Online-Forum für Drehbuchautoren und Regisseure ins Leben gerufen. Das Modell ist relativ einfach. Das Versprechen „We want your film“ setzt voraus, dass jeder sein Script oder seinen Kurzfilm auf der Website ausstellen darf. Voraussetzung ist, dass er die Werke von zwei Kollegen begutachtet. Darüber hinaus veranstaltet Triggerstreet drei Mal im Jahr einen Kurzfilmwettbewerb. Viel Platz zum Schaulaufen also. Das Script für Spaceys Erfolgsfilm „American Beauty“ war ebenfalls ein Erstlingswerk, geschrieben vom Neuling Alan Ball, der sich vorher Sitcoms ausdachte. Für Spacey soll das kein Einzelfall bleiben. „Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass die besten Ideen ohne die richtige Anlaufstelle meist im Mülleimer landen. Wenn ein einziger Mensch durch diese Website eine Chance bekommt, ist sie ein Erfolg.“ Geld sei damit nicht zu verdienen. Dem Schauspieler gehe es vielmehr darum, neue Talente zu entdecken. Immerhin: Triggerstreet.com hält eine 90-tägige Option auf die zehn am besten bewerteten Drehbücher.

Ganz neu sind virtuelle Stoffbörsen nicht, und es ist mittlerweile auch nicht mehr die Frage, ob solche Internet-Projekte den gezielten Kontakt zum Produzenten ausschließen. Vor ein paar Jahren hat Oliver Schütte mit ähnlichen Online-Versuchen schon Erfahrungen gemacht. Pitchpoint.org hieß das Projekt. Wie bei jeder Börse sollten Anbieter und Nachfrager zusammengebracht, kurz: von Schütte „gepitcht“ werden. „Junge Drehbuchautoren haben Gelegenheit, ihren Namen und ihr Profil einzugeben, Produzenten mussten sich mit Passwort anmelden, sich die Stoffe der Autoren anschauen“. Die Produzenten werden aufgefordert, eine Stellungnahme abzugeben. „Interessiert mich“ oder „Interessiert mich nicht“.

Going Underground

Das Problem von Online-Foren liegt auf der Hand. Was im Internet steht, kann jeder lesen. Warum soll ein einfallsloser Autor oder Produzent nicht auf die Idee kommen, Geschichten woanders zu holen? Mit dem Stichwort Ideenklau kann Oliver Schütte nicht viel anfangen. „Ich sage meinen Autoren immer: Bis zum 40ten Berufsjahr werdet Ihr vielleicht 400 gute Filmideen haben. Wenn das dann nur diese eine Geklaute war, dann habt Ihr den falschen Job gewählt.“ Es liegt nicht nur am Copyright-Problem, dass sich die Träume von der großen Kino-Karriere per Internet nur recht langsam realisieren. Schütte hat Hunderte von Stoffen gepitcht. „Real ist da bislang nichts Signifikantes draus geworden.“ Online-Modellen wie dem von Kevin Spacey stehen erfolgreiche Produzenten wie teamWorx-Chef Nico Hofmann eher skeptisch gegenüber. „Es gibt genug Möglichkeiten außerhalb des Web, zum Beispiel Drehbuchlesungen, wo Studenten ihre Stoffe vorstellen können. Die Schwierigkeit besteht weniger darin, Geschichten zu entdecken, als sie danach in eine Form zu bringen.“ Bei teamWorx, eine der größten Produktionsfirmen für Kino und Fernsehen in Deutschland („Der Tunnel“), flattern wöchentlich bis zu 30 Exposés auf den Tisch. Höchstens drei davon werden professionell verfolgt.

Dennoch eröffnet das Internet der Branche neue Wege und Möglichkeiten, zum Beispiel mit dem Berliner U-Bahn-Kurzfilm-Festival „Going Underground“, dass in der ersten Februarwoche stattfindet und dann per SMS und im Internet bewertet werden soll. Aufs Interaktive setzt auch die Master School mit einem erstmals angebotenen Online-Dramaturgie-Kurs. Mit dieser Form des E-Learnings will Oliver Schütte „Vorreiter im Internet“ sein. Producern, Dramaturgen und Produzenten soll „Die Kunst des Drehbuchlesens“ im eigenen Lern-Rhythmus nahe gebracht werden. „Jeder kann selbst bestimmen, wann er wo wie viel trainiert.“ Praktischer Vorteil: Eine Redakteurin mit Kind, die sich abends einfach weiterbilden will, muss sich dafür keinen Babysitter mehr nehmen.

Argentinische Teetrinker

Die virtuelle Teilnahme erspart den bis zu 15 Teilnehmern nicht nur Fahrt- und Hotelkosten in Berlin, Oliver Schütte geht davon aus, dass sich die Qualität der Lehre per Mausklick verbessern könnte, „weil der Prozess des Lernens länger ist“. Reale Kurse sind fast doppelt so teuer wie der virtuelle (Gebühr: 300 Euro) und an einen Abend in der Woche gebunden. „Im Internet schauen die Leute mehrmals in Chat-Rooms und Mail-Fächer, um sich mit Kollegen über Übungsfragen auszutauschen, zum Beispiel, wie man denn im eben gesehenen Fernsehfilm die Nebenhandlung fand.“ Parallel dazu eröffnet die Masterschool mit „T.W.I.S.T.“ eine Autorengruppe im Netz, die handwerkliche Grundlagen fürs Drehbuchschreiben vermitteln soll.

Ob durch Chat-Bereitschaft von Autoren die Qualität der deutschen Filme bei der nächsten Berlinale besser wird, bleibt abzuwarten. Internet-Pitching ersetzt keine gute Geschichte. Kevin Spacey hat jetzt zwar einen eigen-produzierten Film beim Sundance Filmfestival gezeigt. Dass „The United States of Leland“ aber aus seiner virtuellen Stoffbörse stammt, ist unwahrscheinlich. Favorit bei triggerstreet.com ist zurzeit ein Kurzfilm über argentinische Teetrinker, „Memories of ma-teh“. Nach zwei Minuten Zuschauen im Mini-Format am Computerbildschirm kann man sich durchaus in die Produzentenlage versetzen: „Interessiert mich nicht“.

Einer hat auf jeden Fall schon vom Internet-Trend profitiert. Nach der Berlinale setzt sich Oliver Schütte, der gerade wieder an eigenen Filmstoffen arbeitet, in den Flieger Richtung USA. Seinen Online-Kurs für die Master School kann er auch dort halten.

Im Internet:

www.masterschool.de

www.interfilm.de

www.triggerstreet.com

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