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Verbrecher JAGD: Zum Wolfi auf ein Bier

Ein Kurort im Werdenfelser Land, günstig gelegen an der Grenze zu Österreich. Kein Wunder, dass die Kriminalitätsrate hier sprunghaft angestiegen ist: „Der Talkessel eignet sich ideal dafür, etwas zu verstecken, zu vertuschen, zu schmuggeln, etwas verschwinden oder unter den Tisch fallen zu lassen.

Ein Kurort im Werdenfelser Land, günstig gelegen an der Grenze zu Österreich. Kein Wunder, dass die Kriminalitätsrate hier sprunghaft angestiegen ist: „Der Talkessel eignet sich ideal dafür, etwas zu verstecken, zu vertuschen, zu schmuggeln, etwas verschwinden oder unter den Tisch fallen zu lassen. Die Flucht- und Rückzugsmöglichkeiten sind ideal, das Gelände ist unübersichtlich und mit den üblichen polizeilichen Mitteln nicht vollständig zu kontrollieren.“ Dazu kommt eine Bevölkerung, die keinen Wert auf Zusammenarbeit mit den Behörden legt: „stur und durchaus geneigt, der Gegenseite zu helfen“.

So sind sie halt, die Oberbayern. „Oberwasser“ (S. Fischer, Frankfurt a. M. 2012, 395 S., 9,99 €) ist Jörg Maurers vierter Krimi aus dem Alpenland. Diesmal hat sich im Werdenfelser Land eine Organisation festgesetzt, „gegen die die italienische Mafia eine Event-Agentur für Kindergeburtstage“ ist. Und weil das BKA zwischen Loisachufer und Schröttelkopf-Alm bei verdeckten Ermittlungen zwei seiner besten Leute verloren hat, müssen jetzt echte Polizisten wie Kommissar Jennerwein ran: solche, die im Zweifel auch den „knorzigen, fast schon tirolerischen Oberlanddialekt“ beherrschen: „Ja, wo kommts denn es her?!“

Damit sind wir mittendrin im neuen deutschen Bayernkrimi. Den Anfang haben Volker Klüpfel und Michael Kobr mit ihren „Kluftinger“-Romanen aus dem Allgäu gemacht, dann sind immer mehr Titel in die Bestsellerlisten geklettert. Gerade geht alles, was auf Lederhose und Hirschgeweih macht, meistens nicht ganz so ernst gemeint, mit dialektgesättigten Dialogen und „zithergestützen Dreigesängen“ im Soundtrack. Kill your locals: Der Bayerische Rundfunk hat die erfolgreichsten Bücher verfilmt – und der „Tatort“ soll in Zukunft nicht mehr ausschließlich in München spielen, sondern bekommt einen fränkischen Ableger.

Der Witz ist: Das kommt nicht nur da unten gut an. Rita Falk zum Beispiel, die ungekrönte Königin des Bayernkrimis, verkauft womöglich bald mehr Bücher, als der Freistaat Einwohner hat. Vor zwei Jahren hat sie mit „Winterkartoffelknödel“ – Kochrezepte im Anhang! – einen Bestseller gelandet. Seitdem hat sie drei weitere Bände um den trotteligen Dorfpolizisten Franz Eberhofer verfasst, der mit seiner stocktauben Großmutter und seinem verpeilten Hippie-Vater in Niederkaltenkirchen wohnt, einem Dorf im niederbayerischen Niemandsland.

„Grießnockerlaffäre“ (dtv, München 2012, 238 Seiten, 14,90 €) heißt die aktuelle Lieferung. Eberhofers langjähriger Gegenspieler, Dienststellenleiter Barschl, genannt „Arschl“, wird „mausetot“ auf dem Parkplatz der Polizei in Landshut aufgefunden, und weil es da am Abend zuvor nach einer Feier im Kollegenkreis eine unschöne Szene gab, wird der schadenfrohe Dorfpolizist einvernommen: „Finden Sie das lustig, Eberhofer? Immerhin sind Sie dringend tatverdächtig.“

Das kann „der Franz“ nicht auf sich sitzen lassen: „Weil die Landshuter Polizei völlig unfähig ist und schon rein arbeitstechnisch null Komma null motiviert ist, muss ich den Fall wieder selber lösen.“ Also bürstet „die Oma“ ihm die Lederhose aus, und während es aus der Küche schon nach „Marillenknödeln mit geschmolzener Butter“ duftet, zieht Franz Eberhofer los, um den wahren Mörder zu finden, nicht ohne immer mal einen „Abstecher zum Wolfi auf ein Bier“ zu machen.

Das klingt arg gemütlich. Tatsächlich wird gelegentlich Kritik laut, dass sich hinter dem Erfolg des neuen deutschen Regionalkrimis nur die Sehnsucht nach jener kleinen Welt verbirgt, die wir im Zuge der Globalisierung längst verloren haben. Vielleicht ist es aber auch genau anders herum, und die putzigen Räuber-und-Gendarm-Romane aus dem Süden Deutschlands sind einfach nur die zeitgemäß handliche Form von Folklore-to-go. So wie die „Bräuche-App“, die eine der zugewanderten Polizistinnen in Jörg Maurers „Oberwasser“ auf ihrem Smartphone installiert hat – inklusive des „Grainauer Feuergeldsingens“.

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