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 Magischer Ort. Die Kuturscheune von Gut Eibenhof in Bad Saarow ist der Hauptspielort des Festivals „Film ohne Grenzen“.

© Film ohne Grenzen/Boris Trenkel

Das Festival „Film ohne Grenzen“: Zuversicht am See

Über 20 Filme, darunter viele Vorpremieren, sind bei der elften Ausgabe des Festivals in Bad Saarow zu sehen, ergänzt durch Diskussionsrunden und Gespräche mit Filmschaffenden.

Ohne jede Menge Zuversicht hätte Irmi Selver kaum überlebt. Die Flucht aus Deutschland war der jüdischen Chemnitzerin und ihrer Familie noch geglückt. Kurz nach Kriegsausbruch sollte es von Amsterdam mit der niederländischen „Simon Bolivar“ weiter nach Curaçao gehen. Die Niederlande waren noch neutral, die Route durch die Nordsee galt als sicher, doch am 18. November 1939 geriet der Dampfer vor der Südostküste Englands in ein tags zuvor gelegtes deutsches Minenfeld und sank. Auch Irmis Mann und ihre beiden Kinder starben. Sie selbst wurde gerettet, kam bei einem Freund in England unter. Anfangs wollte sie nicht sprechen, nicht essen, aber eines Morgens, so erinnerte sich ihr Freund, hörte er sie sagen: „Ich habe beschlossen zu leben.“

„Zuversicht“, so lautet das Motto der 11. Ausgabe des viertägigen Festivals „Film ohne Grenzen“, das am 31. August mit dem Dokumentarfilm „Irmi“ beginnt. Die junge Jüdin hatte es doch noch geschafft, den im Krieg versinkenden Kontinent zu verlassen, hatte in New York ein zweites Leben begonnen, sich neu verliebt, geheiratet, Kinder bekommen - und später ihre Memoiren geschrieben. Sie wurden 2020 zur Grundlage des berührenden Dokumentarfilms, den Irmis Tochter Veronica Selver mit ihrer Freundin Susan Fanshel gedreht hat und den die in New York lebende Filmemacherin in Bad Saarow vorstellen wird.

Eröffnungsfilm. In „Irmi“ schildert die New Yorker Dokumentarfilm Veronica Selver das Schicksal ihrer jüdischen Mutter.

© Veronica Selver

„Über_Morgen“ hieß das Festivalmotto im vorigen, dem Jubiläumsjahr. Nun also setzt das Team um Susanne Suermondt, Gründerin des Festivals und Vorsitzende des Vereins „Film ohne Grenzen“, auf das ebenfalls zukunftsorientierte Prinzip „Zuversicht“. Stets gehe es bei der Filmauswahl auch darum, den Zeitgeist, die Stimmung im Land wahrzunehmen und widerzuspiegeln, beschreibt Susanne Suermondt es. Zuversicht, das bedeute nicht nur Hoffnung, passives Hinnehmen. Es sei zugleich eine innere Haltung, impliziere das Gefühl, selbst mitgestalten zu können. Angesichts der aktuellen Krisen sei das wichtiger denn je.

Auch Regisseur Volker Schlöndorff, hier mit Festivalleiterin Susanne Suermondt, kommt wieder zu „Film ohne Grenzen“.

© Film ohne Grenzen/Boris Trenkel

Die Spannweite des Begriffs, unter den sich die mehr als 20 Filme, darunter viele Kino-Vorpremieren, einordnen lassen, ist groß. „Irmi“, am 31. August nachmittags als Pre-Opening gezeigt, gehört ebenso dazu wie abends als eigentlicher Eröffnungsfilm eine Folge der deutschen Disney+-Dokumentarserie „Farm Rebellion“, in deren Mittelpunkt der auf nachhaltige Forst- und Landwirtschaft spezialisierte Brandenburger Landwirt Benedikt Bösel steht.

Mit Kaurismäki durch Helsinki

Zuversicht prägt ebenso Aki Kaurismäkis neuen Film „Fallende Blätter“ (1. September), in dem zwei einsame Menschen im nächtlichen Helsinki - wo sonst - zufällig aufeinander treffen, wie der Spielfilm „Leere Netze“ (3. September) von Behrooz Karamizade, ein Soziogramm der iranischen Gesellschaft, oder der von Volker Schlöndorff präsentierte Dokumentarfilm „Heimweh – Kindheit zwischen Fronten“ (2. September). Darin erzählt der dänische Regisseur Simon Lereng Wilmont die Geschichte ukrainischer, von der russischen Invasion betroffener Kinder.

Ein auf dem Festival verliehenes Stipendium für junge Filmschaffende trägt den Namen des im Vorjahr gestorbenen Drehbuchautors Wolfgang Kohlhaase (hier beim Festival 2022).

© Film ohne Grenzen/Boris Trenkel

Ergänzt werden die Vorführungen durch Diskussionsrunden und Gespräche mit Filmschaffenden wie Lars Kraume, Regisseur von „Die Unschärferelation der Liebe“ (3. September) und seinen Stars Caroline Peters und Burghart Klaußner, mit Experten wie Benedikt Bösel und dem Bio-Landwirt Ludolf von Maltzan oder der Philosophin Ariadne von Schirach.

„Mehr Erkenntnis als Kurzweil“, so hat Susanne Suermondt das Anliegen des Festivals einmal beschrieben. Oder, wie der im Vorjahr verstorbene Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase, ein treuer Freund des Festivals, seit 2022 zudem Namensgeber des dort vergebenen Stipendiums für junge Filmschaffende, es umschrieb: „Filme machen die Welt nicht besser, aber sie machen sie besser sichtbar.“

Um dies zu erfüllen, haben auch Susanne Suermondt, ihre Stellvertreterinnen Tanya Berndsen und Yvonne Borrmann wie auch das übrige Team jede Menge Zuversicht nötig. Zwar sind die Anfangsschwierigkeiten lange überwunden, ist der Verein in der nationalen wie internationalen Filmszene gut vernetzt, auch hat Bad Saarow die Attraktivität des Festivals erkannt. Doch sind die Kosten etwa durch höhere Filmleihgebühren deutlich gestiegen, zudem hat die Pandemie die Zuschauerzahlen von zuvor rund 3000 Personen pro Jahr drastisch sinken lassen. Immerhin wurde trotz Virus mit Hygienekonzept weitergemacht, und im Vorjahr erreichten die Zahlen schon fast wieder das gewohnte Maß.

Auch während der Pandemie hat das Publikum dem Festival (hier im Jahr 2022) die Treue gehalten.

© Film ohne Grenzen/Boris Trenkel

Diese Treue ist wohl nicht zuletzt auch dem Schauplatz des Festivals zu verdanken, der besonderen, von Susanne Suermondt als geradezu „magisch“ beschriebenen Atmosphäre, der Nähe zwischen den Filmschaffenden und ihrem Publikum. Neben dem Cinema Bad Saarow ist dies besonders die Kulturscheune von Gut Eibenhof, wunderbar auf einer vom Scharmützelsee umspülten Halbinsel gelegen. In diesen Jahr soll es dort sogar noch idyllischer zugehen: Das Festivalgelände wird autofrei.

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