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Tonsetzer. Der Komponist und Dirigent George Benjamin bei der Arbeit.

© Matthew Lloyd

Zwei Dirigenten, ein Konzert der Staatskapelle: Doppeltes Glück

Moderne und Rossini: George Benjamin und Marc Minkowski dirigieren die Staatskapelle Berlin in der Staatsoper Unter den Linden.

Eine aparte Idee, im Rossini-Jahr dem Meister des Belcanto einen Zeitgenossen zur Seite zu stellen, der sich ebenfalls bevorzugt der Stimme zuwendet: „Dream of the Song“, 2015 in Amsterdam uraufgeführt, beschließt eine Reihe effektvoller, großangelegter Vokalwerke des britischen Komponisten George Benjamin. 16 meist kurze Verse jüdischer Dichter aus dem Granada des 11. Jahrhunderts, natursymbolisch gefasste Lebensbetrachtungen, sind durch eine farbig-expressive Tonsprache zusammengehalten. Der Komponist, selbst am Dirigentenpult, animiert die Staatskapelle Berlin zu klaren Strukturen, die sich in der neu gestalteten Akustik des Paulick-Saales überraschend transparent ausnehmen. Bejun Mehtas Countertenor kann rhythmisch scharf auftrumpfen, wenn es um „wie ein Pfeil“ tötende Worte geht, und besticht doch mehr noch durch zarte lange Linien, in die sich diskret die Frauenstimmen des Staatsopernchors mischen. Denen gehört a cappella der Aufschrei „Vom Weinen“ nach Federico Garcia Lorca – einer der wenigen sich von zarter Delikatesse abhebenden Momente.

Der Rest des Abends gebührt Rossini, und es zahlt sich aus, nach Zubin Mehtas krankheitsbedingter Absage zwei Dirigenten für so unterschiedliche Musiken verpflichtet zu haben. Nach einer spritzigen „Barbier“-Ouvertüre legt Marc Minkowski nie gehörte Schönheiten, Tiefen und Untiefen der „Petite Messe Solenelle“ frei. Sehr rhythmisch, doch auch voll gefühlsbetonter Seufzer kommt das erste „Kyrie eleison“ daher, leidenschaftlich gesteigert nach dem bewegend schlichten „Christe eleison“ des Solistenquartetts. Das besteht aus der Sopranistin Lauren Michelle mit einem bestürzend lieblichen „Crucifixus“ zu sehr sinnlichen Cellofiguren, dem strahlkräftig „den Herrn“ verherrlichenden Tenor Francesco Demuros, dem facettenreichen Bass Alex Espositos, während Bejun Mehta das „Agnus dei“ tief emotional auslotet.

Große Oper entsteht hier statt sakraler Ehrfurcht, und auch der Staatsopernchor bringt berührende Intensität ins Spiel. Ungeheures wird von ihm allein intonationstechnisch in A cappella-Dialogen mit den Solisten geleistet, auch wenn die Stimmen niemals die fast aseptische Reinheit mancher Oratorienchöre aufbringen: Menschenwerk bleibt die Begeisterung über das in ausladenden Koloraturen bejubelte „ewige Leben“, die Glaubensgewissheit des „Credo“. Das zu zeigen, ist Minkowskis Verdienst – und Rossinis, der sich auch hier zuweilen ein Augenzwinkern nicht verkneifen kann.

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